Letzter Mann im Turm - Roman
Boden.
«Wir werden alle drei hier schlafen. Am Morgen gehen wir als Allererstes zur Polizei.»
Mr Pinto machte ihm das Sofa zurecht; Shelley kam mit einem Ersatzkissen in den blinden Armen aus dem Schlafzimmer.
Masterji ging in sein Wohnzimmer hoch und kam lächelnd mit einem großen blauen Buch zurück.
«Wozu ist das denn?», fragte Mr Pinto.
«Das ist meine
Illustrierte Geschichte der Naturwissenschaften.»
Masterji vollführte eine Bewegung, als schlüge er jemandem das Buch auf den Kopf. «Für alle Fälle.»
Die Verkaufsstände waren mit Sackleinen bedeckt, und daneben schliefen die Verkäufer. Mani, der Gehilfe, saß gähnend vor der Glastür von Renaissance Immobilien.
Das Büro war dunkel, und der beschichtete Tisch des Maklers stand verlassen da. Aber Mani wusste, dass die Geschäfte weitergingen; sein Boss würde ihn vielleicht noch brauchen.
Alle Kinder der Vishram Society wussten, dass die Tür unter der Daisy-Duck-Uhr zu einem Nebenraum führte. Keines von ihnen hatte ihn jemals betreten, und es gab die unterschiedlichsten Spekulationen, etwa dass der Makler das Zimmer benutzte, um mit gefälschten Medikamenten, Pornoheften oder Staatsgeheimnissen zu handeln.
Shanmugham war soeben durch das dunkle Büro in den Nebenraum geführt worden; der Makler schloss hinter ihm die Tür.
Im Nebenraum standen ein Feldbett ohne Bettzeug und zwei Weidenkörbe, einer voller Kokosnüsse, der andere voller Kokosnussschalen. Shanmugham nahm sich vor den Nägeln in Acht und setzte sich auf das nackte Bett. «Wozu benutzt du diesen Raum?»
Ajwani deutete auf den im Weidenkorb angehäuften Schatz. Die Kokosnüsse waren groß und grün; ein gekrümmtes Messer lag obenauf. «Ich kauf sie en gros. Sechs Rupien das Stück. Viel besser als Ihr Coke oder Pepsi. Frisch und lecker.»
«Ein Zimmer für Kokosnüsse?» Shanmugham runzelte die Stirn.
Der Makler schlug auf das Bett. «Nicht nur für Kokosnüsse.» Er zwinkerte ihm zu. «Übrigens, wollen Sie eine? Voller Vitamine. Extrem gesund.»
«Die Neuigkeiten, Ajwani. Warum hast du mich hergerufen? Haben die alten Männer eingewilligt?»
Ajwanis Fuß spielte mit den Kokosnüssen.
«Nein, die Lage hat sich verschlechtert. Tinku Kothari, der Sohn des Verwalters, hat sie heute in der Schule gesehen. Er hat mit dem alten Bibliothekar gesprochen und alles erfahren. Sie haben die Telefonnummern von Masterjis ehemaligen Schülern nachgeschlagen und sie von der Schulbücherei aus angerufen.»
«Ist das ein Problem?»
«Nein. Die Leute respektieren einen Mann wie Masterji. Aber sie lieben ihn nicht. Deshalb wird ihm niemand helfen.»
«Warum hast du mich dann herkommen lassen, Ajwani?»
«Weil das nicht das Einzige war, was der Bibliothekar Tinku gesagt hat. Sie gehen zu einem Rechtsanwalt. Morgen.»
«Zu welchem Rechtsanwalt?»
«Das weiß ich nicht. Vielleicht bringen sie irgendwas mit nach Hause. Eine Visitenkarte, einen Prospekt. Das Zeug wird dann im Müll landen.»
«Lass sie uns jetzt
gleich
anrufen.
Du
rufst sie an. Du machst das ziemlich gut.»
Ajwani gluckste. Er nahm einen imaginären Telefonhörer ab und senkte seine Stimme um eine Oktave. «Alter Mann, unterschreib das Dokument. Oder wir schlagen dir den Schädel ein. Wir vergnügen uns mit deiner Frau. Sie hatten mehr Angst, als ich mit ihnen gesprochen habe.» Ajwani strahlte. «Geben Sie’s zu.»
Shanmugham nahm eine Kokosnuss in die Hand und klopfte mit einem Finger darauf. «Du bist ein Naturtalent, Ajwani. Du solltest hauptberuflich bei uns arbeiten. Du und deine Frau.»
«Meine Frau? Sie schickt mir doch bloß eine SMS, wenn Masterji seine Wohnung betritt oder verlässt. Ich bin derjenige, der anruft. Es ist toll, dass Sie mir ein Extra geben, aber ich würde es so oder so machen. Mir macht das richtig
Spaß.»
Das Gesicht des Maklers strahlte. Obwohl sie allein im Raum waren, rückte er näher an den Tamilen heran und senkte die Stimme: «Sagen Sie mir, was Sie gemacht haben. Ein paar Dinge, die Sie gemacht haben.»
Shanmugham ließ die Finger über der Kokosnuss schweben und blickte auf.
«Was meinst du mit ‹gemacht›?»
Ajwani zwinkerte ihm zu. «Sie wissen schon. Für Mr Shah. Sachen wie das hier. Telefonanrufe, Drohungen,
Maßnahmen.
Erzählen Sie mir ein bisschen was.»
«Man macht diese Dinge nicht selbst», sagte Shanmugham. «Normalerweise lässt man das jemand anderen machen. Irgendeinen willigen Typ aus dem Slum. An denen herrscht kein Mangel.»
«Erzählen Sie mir mehr.
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