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Letzter Mann im Turm - Roman

Letzter Mann im Turm - Roman

Titel: Letzter Mann im Turm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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spöttische Stimme.
    «Wer ist da?»
    «Wenn du nicht aus der Wohnung ausziehst, alter Mann, wird dir eine Lektion erteilt.»
    «Wer ist da? Wer hat euch gesagt, dass ihr anrufen sollt? Hat Mr Shah euch beauftragt?»
    «Dir und deinen Freunden wird eine Lektion erteilt werden. Zieht also aus. Nehmt das Geld und unterschreibt.»
    «Ich zieh nicht aus. Ihr braucht also gar nicht anzurufen.»
    «Wenn du nicht ausziehst, werden wir uns mit deiner Frau vergnügen.»
    «Was?»
    «Wir zerren sie in die Büsche hinter dem Gebäude und vergnügen uns mit ihr.»
    Masterji stieß ein Lachen aus.
    «Ihr wollt euch mit einer Handvoll Asche vergnügen?»
    Stille.
    «Es ist der
andere,
der eine –» Eine Stimme im Hintergrund.
    Die Leitung war tot. Binnen einer Minute klingelte es wieder.
    «Nehmen Sie nicht ab, bitte», sagte Shelley.
    Er nahm ab.
    «Alter Mann, alter Mann.»
    Diesmal war es eine andere Stimme, tiefer, barscher. Masterji war sich sicher, dass er diese Stimme schon einmal gehört hatte.
    «Benimm dich deinem Alter gemäß, alter Mann. Werd erwachsen. Nimm das Geld und zieh aus, bevor noch was Schlimmes passiert.»
    «Wer ist da? Ich kenne deine Stimme. Sag deinem Mr Shah …»
    «Wenn was Schlimmes passiert, bist du ganz allein dafür verantwortlich. Du ganz allein.»
    Masterji knallte den Hörer auf. Er ging die Treppe zu Mrs Puris Tür hoch und klopfte; als sich nichts rührte, hämmerte er dagegen.Sie öffnete die Tür, und ihre Augen waren verquollen, als hätte sie geschlafen.
    «Was ist los, Masterji?»
    «Diese Telefonanrufe. Sie haben wieder angerufen. Jetzt drohen sie uns.»
    Mrs Puri unterdrückte ein Gähnen.
    «Masterji, ständig reden Sie über diese Telefonanrufe, aber niemand sonst kann die hören.»
    «Entweder ruft jemand aus dem Haus an, oder jemand im Haus gibt den Anrufern ein Zeichen. Der Zeitpunkt ist immer viel zu passend. Ich bin mir sicher, dass ich eine der Stimmen erkannt habe.»
    Sie lachte.
    «Meine etwa? Ist es das, was Sie sagen wollen?»
    «Nein … ich glaube nicht.»
    «Ich bin nicht diejenige, die Sie anruft. Soll ich Ramu fragen, ob er derjenige ist, der bei Ihnen anruft?»
    Sie wollte die Tür schließen, aber Masterji drückte dagegen.
    «Was ist mit Ihrem Schamgefühl, Mrs Puri? Ich bin Ihr Nachbar. Bin seit dreißig Jahren Ihr Nachbar.»
    «Unserem
Schamgefühl? Masterji, Sie sprechen von
unserem
…? Nachdem Sie sich so unmöglich bei Mr Shah benommen haben? Nachdem Sie Ihren eigenen Sohn angelogen haben, Sie würden das Angebot annehmen?»
    Als sie ihm die Tür vor der Nase zuschlug, hämmerte Masterji mit der Faust dagegen.
    «Sie haben von meiner Frau Geld geliehen und es nie zurückgezahlt. Glauben Sie, ich weiß das nicht?»
    Er ging hinunter auf das Grundstück. In der Dunkelheit verwischten sich die Entfernungen, Umrisse verschwammen miteinander; erleuchtete Fenster schienen sich zuzurufen, als würden sich die Lichter reimen. In einem nahe gelegenen Wohnhaus erlosch eine Lampe, in Turm B ging eine an.
    Waren
sie
es?
    Eine Autorikscha fuhr am Tor vorbei, in Richtung Slum.
    Ram Khare, der in seinem hinter dem Haus angebauten Zimmer geweckt wurde, schob die Unterlippe vor, als ihm die Situation erklärt wurde.
    «Sprechen Sie mit dem Verwalter. Telefone gehören nicht zum Aufgabenbereich des Wachmanns.»
    Er schaltete seine Nachttischlampe an. Sein Kakihemd hing an einem Nagel an der Wand; alte Schwarz-Weiß-Fotografien, auf denen ein Yogalehrer mit nacktem Oberkörper die vier Positionen des
Dhanush asana
vorführte, waren mit Klebestreifen über dem Bett befestigt.
    «Was soll das heißen, Ram Khare? Wir werden bedroht. Es ist Nacht, und du bist der Wachmann.»
    Eine kleine Flasche Old-Monk-Rum stand auf dem einzigen anderen Möbelstück im Raum, einem Korbtisch. Ram Khare stieß seinen Schnapsatem aus, verschränkte die Arme und kratzte sich mit seinen langen Fingernägeln den Rücken.
    «Ich habe Sie gewarnt, Sir. Ich habe Sie gewarnt.»
    Er drehte sich im Bett um, wandte seinem Besucher den moskitozerstochenen Rücken zu und schlief wieder ein.
    «Warum rufen Sie nicht Gaurav an?», fragte Mr Pinto, als Masterji wieder in ihre Wohnung kam und die Tür sicher hinter ihm verschlossen war. «Bitten Sie ihn, herzukommen und die Nacht mit uns zu verbringen. Am Morgen gehen wir zur Polizei.»
    Masterji dachte darüber nach. «Wir brauchen keine Hilfe. Ich habe euch gesagt, wir sind das Triumvirat.»
    Er riss das Telefonkabel der Pintos aus der Wand und warf es auf den

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