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Letzter Mann im Turm - Roman

Letzter Mann im Turm - Roman

Titel: Letzter Mann im Turm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Ich werd’s niemandem weitersagen. Versprochen.»
    Shanmughams Mundwinkel zog sich nach oben, seine Zunge fuhr über den abgesplitterten Zahn. «Wir sind ja jetzt Partner. Warum nicht?» Er ließ die Kokosnuss auf seiner Hand kreisen.
    Vor drei Jahren. Ein schwieriges Sanierungsprojekt in Chembur. Ein alter Mann hatte sich geweigert, seine Wohnung zu verkaufen. Mr Shah hatte gesagt: «Schaff ihn da raus, Shanmugham.» Er hatte zwei Burschen angeheuert, die vor seinem Fenster Stühle zertrümmerten. Ohne Werkzeuge. Der alte Mann starrte aus seinem Fenster und beobachtete, wie sie den ganzen Tag lang mit ihren bloßen Händen und Füßen Mobiliar zerschlugen. Wenn er den Kopf herausstreckte, grinsten sie und fletschten die Zähne. Nach ein paar Tagen verkaufte er.
    «Das ist raffiniert», sagte Ajwani. «Sehr raffiniert. Die Polizei kann Ihnen deswegen nichts anhängen.»
    Shanmugham ließ die Kokosnuss auf den Haufen fallen; dann versetzte er dem Korb einen Tritt. «‹Gebrauche immer deinen Verstand›, sagt der Boss.»
    Die Nüsse schlugen aneinander.
    «In einem
Chawl
gab es einmal einen Moslem. Dieser Kerl hielt sich für einen harten Knochen. Der Boss hat ihm ein Angebot gemacht. Ein großzügiges Angebot. ‹Mit einem Gierhammel habe ich kein Mitleid›, sagte der Boss. Ich habe einen Burschen dafür bezahlt, dass er vor dem Haus gegenüber auf der Treppe saß und diesen Mann beobachtete. Das war alles. Hat ihn nur beobachtet. Dieser Kerl, der nicht ausgezogen wäre, wenn ihn eine Schlägertruppe bedroht hätte, unterschrieb und zog innerhalb einer Woche aus.»
    Ajwani gluckste.
    «Sie haben echt ein Händchen für sowas, Mr Shanmugham.»
    «Allerdings braucht es manchmal mehr als bloßen Verstand …»
    Shanmugham nahm das gekrümmte Messer mit dem schwarzen Griff in die Hand, das auf den Kokosnüssen lag, und stieß es in eine grüne Nuss. Ajwani erschauerte.
    «Erzählen Sie’s mir. Was haben Sie getan? Jemandem ein Bein gebrochen?» Er senkte die Stimme. «Einen Mann
umgebracht?»
    Shanmugham grinste.
    «Ist erst ein Jahr her. Ein Bauprojekt in Sion. Ein alter Mann blieb bei seinem Nein, Nein. Wir boten ihm weiterhin Geld, und immer noch kam Nein, Nein. Der Boss wurde allmählich wütend.»
    «Und?» Ajwani rückte so nahe wie möglich an ihn heran.
    Und in einem Anfall von Wut und Berechnung war Shanmugham mit seinen ganzen 1,85 Metern in dem Haus die Treppe hinaufgerannt, hatte eine Tür eingetreten, etwas beim Kragen gepackt, das mit seinem Enkelsohn Backgammon spielte, den Kopf dieses Etwas aus dem Fenster gestoßen und gesagt: «Unterschreib, Arschloch.»
    «Das haben Sie wirklich gemacht?» Ajwani starrte seinen Gast an.
    «Ja, das habe ich wirklich gemacht.» Shanmugham nickte. Er zog das Messer aus der Kokosnuss. «Der alte Mann hat auf der Stelle unterschrieben. Dabei hatte ich Angst, das kann ich dir sagen.Ich dachte, vielleicht komm ich ins Gefängnis dafür. Aber … die Wahrheit ist, tief im Herzen, selbst wenn sie Nein sagen», er richtete das Messer auf Ajwani, «wollen sie Geld. Hat man sie erst mal dazu gebracht zu unterschreiben, sind sie einem regelrecht dankbar. Nie geht einer zur Polizei. Ich mache ihnen also bloß klar, was das Beste für sie ist.»
    Er warf das Messer zurück auf den Haufen Kokosnüsse.
    Ajwani starrte bewundernd auf Shanmughams Hände. «Was haben Sie denn sonst noch für Mr Shah gemacht?»
    «Was immer er von mir will. Er kann jederzeit anrufen, Tag und Nacht. Man muss immer bereit sein.»
    Er erzählte Ajwani von einem berühmten Politiker, der seinerzeit beim Confidence-Konzern angerufen und eine Summe genannt hatte, die an jenem Abend in bar in seinem Wahlkampfbüro abgeliefert werden musste. Shah und Shanmugham waren zu einer Lagerhalle in Parel gefahren, wo Fünfhundertrupienscheine maschinell abgezählt, gebündelt und in einen Geländewagen geladen wurden; das Geld, auf Vorder- und Rücksitze gepackt, wurde mit weißen Bettlaken verdeckt. Shanmugham, der nicht mehr als 175 Rupien für Verpflegung in der Tasche hatte, brachte den Geländewagen über die Staatsgrenze zu den Handlangern des Politikers. Lieferte die Ladung wohlbehalten ab. Der Politiker gewann die Wahl.
    «Ich hätte werden können wie Sie. Ein Mann der Tat.» Ajwani schob die Unterlippe vor und schüttelte den Kopf. «Wenn ich rechtzeitig einen Mann wie Mr Shah getroffen hätte. Stattdessen bin ich …»
    «Aber sagen Sie», er tippte dem Tamilen auf den Unterarm, «in Ihrer Branche gibt es

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