Letzter Mann im Turm - Roman
gefälscht, so, wie du das auch bei der Britannia Biscuit Company gemacht hast?»
Sie hörte Federn quietschen, sie war wieder allein im Schlafzimmer. Mr Pinto hatte den Fernseher eingeschaltet.
Sie ging zum Sofa und setzte sich neben ihn.
«Wir müssen ihn nicht retten, Mr Pinto. Die anderen werden das schon tun. Wir müssen uns einfach nur ruhig verhalten.»
«Was
werden
sie denn tun?»
Sie gab ihm ein Zeichen, den Fernseher lauter zu drehen.
«Sangeeta und Renuka Kothari sind heute gekommen und haben gefragt, wenn wir alle etwas unternehmen wollen – etwas ganz Einfaches –, wären Sie und Mr Pinto auch einverstanden?»
«Was soll das sein, Shelley?»
«Ich weiß es auch nicht, Mr Pinto. Ich habe ihnen bloß gesagt, sie sollen es uns gar nicht erzählen.»
«Und wann soll das passieren?»
«Ich habe ihnen gesagt, sie sollen mir
überhaupt nichts
erzählen. Und jetzt mach den Fernseher wieder leiser.»
«Was hast du gesagt?»
«Mach den Fernseher leiser. Ich möchte mich hinlegen.»
«Ich mag es laut», sagte Mr Pinto. «Geh in den Garten.»
Mrs Pinto ging die Treppe hinunter und trat dabei auf den «Diamanten». Sie dachte an die 18 Millionen Rupien von Mr Shah; die Zahl war ein Teil der dunklen Welt um sie herum. Sie stieg noch zwei Stufen hinab. Sie dachte an 100.000 Dollar, die sie an Tony und weitere 100.000 Dollar, die sie an Deepa schicken konnten. Ihre Augen füllten sich mit Licht, und die Wand glänzte wie eine Fläche aus gehämmertem Gold.
Als sie noch einen Treppenabsatz hinabgestiegen war, stieß sie mit dem Fuß gegen etwas Warmes, Lebendiges. Es roch nicht nach Hund.
«Hören Sie doch auf, mich zu treten.»
«Warum sitzen Sie hier auf der Treppe, Kothari?», fragte sie.
«Meine Frau will mich nicht fernsehen lassen, Mrs Pinto. Renuka hat das Kabel durchgeschnitten. Meine Frau, mit der ich seit einunddreißig Jahren verheiratet bin. Was ist schon ein Zuhause ohne Fernseher?»
Sie setzte sich auf die Stufe über ihm.
«Was für eine merkwürdige Situation. Aber Sie können bei uns fernsehen.»
«Meine Frau, mit der ich seit einunddreißig Jahren verheiratet bin. Und doch tut sie so etwas. Merken Sie, was hier mit uns passiert?»
«Wenn ich fragen darf, Mr Kothari …
warum
hat sie das Kabel durchgeschnitten?»
«Weil ich bei dieser einfachen Sache nicht mitmachen will. Bei dem, was sie und die anderen Masterji antun wollen. Wissen Sie, was sie ihm antun wollen?»
«Sie haben es mir nicht gesagt. Ich dachte, es wäre Ihre Idee.»
«Meine Idee? O nein, das war Ajwanis Idee.»
Der Verwalter versuchte, sich zu erinnern. War es Ajwanis Idee? Es spielte keine Rolle; sie war wie eines dieser Wespennester, die manchmal an den Wänden der Genossenschaft wuchsen; diese Idee war aus dem Nichts gekommen, war binnen Stunden angeschwollen, bis offensichtlich jeder Haushalt in Vishram zu einer ihrer Waben geworden war. Alle wollten, dass die Sache erledigt wurde. Sogar seine eigene Frau.
«Diese einfache Sache … wird sie Masterji verletzen?»
«Ich habe genauso wenig Ahnung wie Sie, Mrs Pinto, was sie eigentlich vorhaben. Es ist Ajwanis Idee. Er hat Kontakte im Slum. Sie wollen bloß, dass ich ihm den Zweitschlüssel zu Masterjis Wohnung gebe. Ich kann das nicht, Mrs Pinto. Das ist gegen die Vorschriften.»
Mrs Pinto sog die dunkle Luft des Treppenhauses ein.
«Wird Mr Shah die Frist tatsächlich nicht verlängern?»
Der Verwalter atmete aus.
«Jedes Mal, wenn ich ein Auto oder eine Autorikscha höre, schwappt mir der Tee aus der Tasse. Das könnte dieser Shanmugham sein, der kommt und sagt,
Tut mir leid, es ist vorbei.»
«Dann wird es keine Dollars für uns geben.»
«Dollars?»
«Rupien.»
«Warum kann Masterji das nicht so wie wir sehen?»
«Er kommt nicht mal mehr zum Essen runter. Meint, er sei zu gut für Mr Pinto und mich. Nachdem sich der arme Mr Pinto für ihn das Bein gebrochen hat. Meint, er sei ein großer Mann, weil er gegen diesen Shah kämpft. Hat der Zeitung ein Interview über seine eigene Wohnungsgenossenschaft gegeben.»
«Nachdem er schon so lange zu Ihnen gekommen ist und bei Ihnen gegessen hat. Undankbarkeit ist die schlimmste Sünde, hat mein Vater immer gesagt.» Er machte eine Pause. «Mein Vater war der größte Mann, den ich je kennengelernt habe. Wenn er in Afrika geblieben wäre, wäre er Millionär geworden. Ein Prinz. Aber die anderen wollten nicht, dass er Erfolg hat. So ist das doch immer bei uns, oder?»
Mrs Pinto legte ihre kalte Hand
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