Letzter Mann im Turm - Roman
etwas eingewickelt war.
Er lächelte und griff nach dem Taschentuch, aber der Verwalter verbarg es hinter seinem Rücken.
«Hören Sie mal, Ajwani, wenn Sie dafür von diesem Shah ein Extra bekommen – und ich weiß, dass das so ist –, dann will ich die Hälfte davon. Ich habe schließlich heute die ganze Arbeit gemacht.»
Ajwani grinste. «Sie werden ja ein richtiger Mann, Kothari. Okay, fifty-fifty. Aber erst muss Masterji unterschreiben.»
Er langte hinter den Rücken des Verwalters und nahm den Gegenstand im Taschentuch an sich; im Gegenzug gab er dem Verwalter ein großes weiches Paket.
«Watte», sagte er. «Verteilen Sie die an alle in der Genossenschaft. Vor 21 Uhr. Ich gehe jetzt sofort los und treffe mich mit den Jungs.»
Der Verwalter wandte das Gesicht nach rechts und hielt sich die Watte ans Ohr. «Erzählen Sie mir
bloß
nicht, was passieren wird.»
Vor der Vishram Society erwachten die Straßenlaternen flackernd zum Leben. Mrs Puri suchte auf dem Markt nach frischem, vitaminreichem Spinat, mit dem sie die langsamen Neuronen ihres Sohns stimulieren wollte.
Der Lärm quietschender Bremsen zerriss jäh die Ruhe auf dem Markt. Der Tata Indigo, der von der Hauptstraße gekommen war,bremste ab, aber nicht rasch genug; irres Gejaule und zappelnde Glieder unter den Rädern.
«Du hast ihn überfahren!», brüllte jemand den Fahrer an. «Und das an Gandhi Jayanti!»
Zwei Männer kamen aus einem Lebensmittelladen, einer von ihnen hatte sich seinen blauen
lungi
über die Knie hochgebunden. «Zerr ihn aus seinem Auto und verpass ihm eine Tracht Prügel!», brüllte er.
Der Indigo raste davon; die beiden Lebensmittelhändler kehrten wieder zu ihrer Arbeit zurück.
Der gelbe herrenlose Hund, der seit vielen Monaten als ungebetener, aber geduldeter Gast in der Vishram Society gelebt hatte, lag in einer Pfütze aus klebrigem, dunklem Blut in der Nähe des Markts. Eine Krähe hüpfte um das Tier herum. Sie pickte nach den Eingeweiden.
Mrs Puri schirmte Ramus Gesicht mit der Hand ab. Er wimmerte. Sie drückte ihn an sich, brachte ihn nach Vishram zurück und ließ ihn dort bei Mrs Saldanha.
Sie scheuchte Ram Khare aus seinem Wachhäuschen.
In der
channa
-Schüssel, die Ramu am schwarzen Kreuz hatte stehen lassen, trug er Wasser herbei. Der Hund war zu schwach, um zu trinken. Sie ließen das Tier in die Gosse hinab, damit es in Würde oder wenigstens einigermaßen in Ruhe sterben konnte.
«Bitte die Müllmänner, wenn sie morgen früh kommen, dass sie ihn mitnehmen sollen, Ram Khare. Wir können den Kadaver nicht hier liegen lassen.»
Sie ging zurück und erklärte Ramu, dass es nicht ihr netter Streuner war. Nein, das war ein anderer Hund, der ihrem Hund nur ein bisschen ähnlich sah. Ramus Gesicht hellte sich auf. Seine Mutter versprach ihm, dass sie am Morgen wieder ihren gelben Hund sehen würden, wie er
channa
aus seiner Schüssel aß. Versprochen.
Gerade brachte sie ihn und das nette Entchen zu Bett, als der Verwalter an die Tür klopfte.
«Schließen Sie heute Nacht gut ab, Mrs Puri», sagte er.
Sie kam an die Tür und flüsterte: «Wird es tatsächlich dazu kommen? Die
einfache
Maßnahme?»
Kothari sagte nichts, er gab ihr bloß eine kleine Plastiktüte mit Watte und ging die Treppe hinunter. Mrs Puri stand im Treppenhaus und hörte, wie er an die Tür der Pintos klopfte.
«Schließen Sie heute Nacht gut ab, Mr Pinto.»
«Wir schließen jede Nacht ab.»
«Schließen Sie heute Nacht besonders gut ab. Stopfen Sie sich Watte in die Ohren, wenn Sie welche haben. Haben Sie keine? Dann nehmen Sie sich ein bisschen was aus dieser Tüte. Stopfen Sie sich das in die Ohren. Verstehen Sie?»
«Nein.»
«Versuchen Sie’s. Ist ganz einfach, Mr Pinto.»
Sie hörte Kotharis Schritte ein Stockwerk tiefer und dann seine Stimme: «Schließen Sie heute Nacht gut ab, Mrs Rego.»
Als sich der Verwalter von Mrs Saldanhas Tür wegdrehte, erblickte er Mary, die in der Nähe seines Büros stand. Sie starrte ihn an.
«Was willst du?», fragte er.
«Ich putze Ihr Büro jeden Tag um diese Zeit», sagte sie. «Ich wollte den Besen holen.» Dann fügte sie hinzu: «Ich habe nichts gehört.»
«Putz das Büro morgen, Mary. Du kannst dir den Rest des Tages freinehmen.»
Sie stand immer noch da.
«Mary», der Verwalter senkte die Stimme, «wenn das Shanghai gebaut wird, werden sie dich wieder nehmen. Ich sorge dafür. Du bekommst eine Uniform. Gute Bezahlung. Ich werde dafür sorgen. Verstehst du?»
Sie
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