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Letzter Mann im Turm - Roman

Letzter Mann im Turm - Roman

Titel: Letzter Mann im Turm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Krishnas.
    Sie hatten die Nasen mit Taschentüchern, Saris und Hemdsärmeln bedeckt und standen alle auf der Treppe, um zu sehen, was mit der Tür von 3 A geschehen war. Zusammengekauert schrubbte Masterji seine Tür mit einem feuchten Spülschwamm ab. Neben ihm stand ein Eimer Wasser, und alle paar Minuten drückte er den Spülschwamm darin aus.
    Der Verwalter, den sein Verantwortungsgefühl wieder die Treppe hinuntergetrieben hatte, verscheuchte die Zuschauer. «Bitte, geht wieder ins Bett», flüsterte er. «Oder die ganze Nachbarschaft wird es mitkriegen und über uns reden.»
    Die Tür von 3 C ging auf.
    Hätte Masterji sie angeschrien, hätte Mrs Puri zurückgeschrien. Hätte er versucht, sie zu schlagen, hätte sie ihn die Treppen hinuntergestoßen. Aber er lag auf den Knien und schrubbte aus den Schrammen und Wülsten die Exkremente weg; er warf ihr einen Blick zu und arbeitete weiter, als hätte es nichts mit ihr zu tun.
    Ein Mann schob Mrs Puri von hinten beiseite und trat in den Hausflur.
    Sanjiv Puri sah Masterjis Tür und begriff.
    «Was hast du getan, Sangeeta?» Er schaute seine Frau an. «Was hast du meinem Namen und meinem Ruf angetan? Du hast deinen eigenen Sohn verraten.»
    «Mr Puri, Mrs Puri», flüsterte der Verwalter. «Bitte. Man kann Sie hören.»
    Sangeeta Puri machte einen Schritt auf ihren Mann zu.
    «Das ist alles
deine
Schuld.»
    «Meine Schuld?»
    «Du hast immer gesagt, wir könnten erst Kinder haben, wenn du einen Managerposten hast. Ich musste warten, bis ich vierunddreißig war. Deshalb ist Ramu zurückgeblieben. Je älter die Frau, desto größer das Risiko. Und nun muss ich ihm für den Rest meines Lebens den Hintern abwischen.»
    «Sangeeta, das ist eine Lüge. Eine Lüge.»
    «Ich wollte Ramu schon zehn Jahre früher haben.
Du
hast davon geredet, dass du immer zu kämpfen hast.
Du
hast dich beschwert, dass Zuwanderer uns die Arbeitsplätze wegschnappen, aber
du
hast dich nie gewehrt.
Du
bist nicht rechtzeitig Manager geworden, sodass ich ein gesundes Kind hätte bekommen können. Es war nicht das Böse,
du
warst es.»
    Masterji hörte zu schrubben auf.
    «Wenn Sie schreien, Mrs Puri, wecken Sie Ramu auf. Für das hier ist niemand verantwortlich. Manchmal fällt Putz von der Decke, weil dies ein altes Haus ist. Ich sage, das Gleiche ist auch hier passiert. Und jetzt geht alle ins Bett.»
    Der Verwalter ließ sich auf die Knie nieder und bot seine Hilfe beim Schrubben an, aber Masterji sagte: «Ich mach das schon.»
    Wenn er die Augen schloss, konnte er das Licht hinter den Häusern am Crawford Market sehen. Die Tagelöhner, die unter dem J. J. Flyover ihre Karren zogen, mussten Tag für Tag schlimmere Arbeiten verrichten.

2. OKTOBER
    Die Mauer des Grundstücks war noch dunkel von Marys Morgenrunde mit dem grünen Wasserschlauch. Wassertropfen fielen vom Hibiskus, Ramu traktierte den Stamm mit einem Stock.
    Seine Mutter, die eine Weile neben dem schwarzen Kreuz gestanden hatte, kam näher und rief seinen Namen. Der Hibiskus schwankte.
    Sie kam näher und sah, was er machte.
    «… was soll denn das?»
    Der Junge drehte sich nicht um. Sein Gesicht war angespannt und er stocherte weiter mit dem Ding auf den Wurzeln der Pflanze herum. Mrs Puri zog ihn weg und schaute ihn ungläubig an.
    «Tu dem armen Wesen nicht weh, Ramu. Hat er dir denn wehgetan?»
    Er schüttelte die Hand seiner Mutter ab und stach mit seinem Stock erneut in den zusammengeringelten Regenwurm, der sich unter dem Druck zwar wand, aber nicht streckte. Mrs Puri hatte das Gefühl, als hätte ihr jemand einen Stock in die Seite gerammt.
    «Oioioi, mein Ramu, heute ist Mahatma Gandhis Geburtstag. Was würde er sagen, wenn er dich jetzt so sehen könnte?»
    Er musste mitbekommen haben, wie jemand im Treppenhaus oder im Garten darüber gesprochen hatte. Er wusste, was letzte Nacht geschehen war.
    «Wenn Masterji nicht Ja sagt, werden wir nie unsere neue Wohnung bekommen. Denk an den Holzschrank in dem hübschen neuen Haus in Goregaon, Ramu … der frische Geruch, das Sonnenlicht auf dem Holz.»
    Er drehte sich nicht um. Sie sah, dass er den Regenwurm in zwei zuckende Teile zerschnitten hatte.
    «Ich verspreche dir, von jetzt an absolut
nichts
mehr zu tun, was Masterji ärgern könnte. Ich verspreche es dir. Tu dem Wurm nicht weh.»
    Aber er wollte sich nicht zu ihr umdrehen.
    «Ramu. Streitest du etwa mit deiner Mutter?»
    Masterji, der durch das Tor hereinkam, ging auf den Hibiskus zu. «Ein schönes Gandhi Jayanti»,

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