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Letzter Mann im Turm - Roman

Letzter Mann im Turm - Roman

Titel: Letzter Mann im Turm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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verlagert hatte. Jeden Monat machten im BKZ neue Finanzgebäude auf – American Express, ICICI Bank, HSBC, Citibank und und und –, und der Mammon in ihren Tresoren schmolz wie Butter auf einer Herdplatte und tröpfelte in die Slums, machte einige der Slumbewohner reich und vernichtete andere. Einige glückliche Hüttenbesitzer wurden zu Millionären, wenn ihnen eine Bank oder ein Bauherr ein außergewöhnliches Angebot für ihr kleines Stück Land machte; andere wurden zerquetscht – Bulldozer waren zugange, armselige Hütten wurden dem Erdboden gleichgemacht, Slumräumungsprojekte vorangetrieben. Während manche der Reichtum traf und andere das Elend, erreichten Geschichten von Gold und Tränen die Vishram Societywie das Echo entfernter Schlachtfelder. Hier, zwischen den Plastikstühlen ihres Parlaments, war das Leben der Bewohner geruhsam und geregelt, die Sicherheit von Titeln und Urkunden galt uneingeschränkt, und ihr Streben beschränkte sich auf jenen langsamen Aufstieg, der ihnen aufgrund ihres Studiums und ihrer Vorstellungsgespräche in dunklem Anzug und Krawatte zustand. Ihr Schicksal hielt weder Gold noch Tränen für sie bereit, es waren anständige Leute.
    «Wäre es nicht schön, wenn uns jemand 8,1 Millionen gäbe?», sagte Mrs Puri, als Ritika außer Hörweite war.
    Ajwani, der Makler, der auf die Tastatur seines Handys tippte, hielt inne, blickte auf und lächelte höhnisch. Dann tippte er weiter.
    Der Wert ihrer eigenen Wohnungen war ungewiss. Der letzte Verkaufsversuch lag sieben Jahre zurück, als Mr Costello (5 C) seine Wohnung im fünften Stock zum Verkauf angeboten hatte, nachdem sein Sohn vom Dach gesprungen war; niemand hatte das Apartment gekauft, und es war immer noch fest verschlossen, nachdem der Besitzer an den Persischen Golf gezogen war.
    «Die Armen der Stadt waren nie arm, und nun …», Mrs Puri wandte ihren Kopf nach links – Mrs Saldanhas Tochter, Tadhika, hatte die Küche ihrer Mutter höchst gedankenlos betreten und versperrte den Parlamentariern nun den Blick auf den Fernseher, «… werden sie reich. Kostenloser Strom in den Slums und 24 Stunden lang Kabelfernsehen. Nur
wir
stecken hier fest.»
    «Obacht», flüsterte Mr Pinto, «das Schlachtschiff kommt. Obacht.»
    Mrs Rego, die wegen ihrer weiten grauen Röcke, ihres gewaltigen Umfangs und der Stentorstimme das «Schlachtschiff» genannt wurde, kehrte mit ihren Kindern nach Hause zurück.
    Mit einem «Hallo, Onkel, hallo, Tante» gingen Sunil und Sarah Rego die Treppen hinauf. Ihre Mutter setzte sich, ohne ein Wort an die anderen zu richten, und begann Fernsehen zu schauen.
    «Haben Sie von dem 8,1-Millionen-Angebot gehört, Mrs Rego? Für eine mickrige Hütte in den Slums?»
    Das Schlachtschiff sagte nichts.
    «Selbst eine Kommunistin wie Sie müsste das interessieren», sagte Mrs Puri mit einem Lächeln.
    Das Schlachtschiff antwortete, ohne den Kopf zu wenden.
    «Was ist die Definition einer untergehenden Stadt, Mrs Puri? Da Sie es nicht wissen, werde ich es Ihnen sagen: eine Stadt, die aufgehört hat, einen zu überraschen. Und genau das ist aus Bombay geworden. Wedele vor den Menschen mit ein wenig Bargeld herum, und sie werden hüpfen, tanzen, sogar nackt durch die Straßen rennen. Dieser Moslem wird sein Geld nie bekommen. Diese Bauunternehmer und Bauherren sind die reinste Mafia. Erst vor Kurzem haben sie einen aus der Stadtverwaltung erschossen. Das stand in der Zeitung.»
    Mr Pinto und seine Frau machten sich davon wie Tauben vor einem Gewitter.
    Aber der Sturm brach nicht sofort los.
    Der TV-Moderator sagte, als wollte er die düstere Stimmung noch verstärken, dass die Wasserknappheit wahrscheinlich noch schlimmer würde, es sei denn der Monsun käme ausnahmsweise einmal rechtzeitig.
    «Tatsache ist, dass zu viele Menschen in diese Stadt drängen», sagte Mrs Puri. «Alle wollen an unseren … saugen.» Sie berührte ihre Brüste.
    Das Schlachtschiff wandte sich ihr zu.
    «Und Sie hat wohl der Himmel geschickt, Mrs Puri? Stammt Ihre Familie nicht aus Delhi?»
    «Meine Eltern wurden in Delhi geboren, Mrs Rego, aber ich wurde hier geboren. Damals gab es noch genug Platz. Aber jetzt ist diese Stadt überfüllt. Die Shiv Sena hat recht, es sollten keine Zuwanderer mehr kommen.»
    «Ohne Zuwanderer wäre diese Stadt erledigt. Wir werden vonFaschisten regiert, Mrs Puri, aber hier ist alles zweitklassig, selbst unsere Faschisten. Sie geben uns keine Züge, sie geben uns keine Straßen. Sie tun nichts anderes, als

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