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Letzter Mann im Turm - Roman

Letzter Mann im Turm - Roman

Titel: Letzter Mann im Turm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Englisch lesen, Sir. Ist es ein guter Witz?»
    «Wir sind ohnmächtige Menschen in einer ohnmächtigen Stadt, Ram Khare, wie Ibby oft sagt. Witze sind unsere einzige Waffe.»
    «In der Tat, Madam.» Khare blätterte die Seite in seinem Buch um. «Heute Abend wird es übrigens kein Wasser geben. DieseMänner haben beim Arbeiten die Wasserleitung getroffen, und sie müssen die Zufuhr für einige Stunden abstellen. Der Verwalter wird ein Schild an das Schwarze Brett hängen, wenn er von seiner Arbeit zurückkommt.»
    Mrs Puri wischte sich mit einem Taschentuch über das Gesicht. Einatmen. Ausatmen. Sie wandte sich vom Wachhäuschen ab und ging durch das Tor denselben Weg noch mal zurück.
    Die Vorwarnung, dass man das Wasser abstellen würde, hatte sie an Masterjis verstopfte Wasserhähne erinnert.
    Jede gute Wohngemeinschaft lebt von einem Kreislauf der Gefälligkeiten; es ist wie bei dem Kinderspiel, bei dem jeder das Ringlein an seinen Nachbarn weitergibt. Wenn Mrs Puri eine helfende Männerhand brauchte, während ihr Gatte bei der Arbeit war, war Ibrahim Kudwa zur Stelle, der seine langen Mittagspausen zu Hause verbrachte; erst letzte Woche hatte er einen Nagel für eine neue Wäscheleine in die Wand geschlagen. Als Gegenleistung würde sie sich um Masterjis Wohlergehen kümmern müssen.
    Als man bei ihrem Jungen das Downsyndrom diagnostizierte, hatte es Sangeeta Puri, noch ehe sie ihrer Mutter oder Schwester davon berichtete, ihren Nachbarn erzählt. Masterji, die Hand auf der Schulter seiner Frau, hörte die Nachricht und fing an zu weinen. Noch immer erinnerte sie sich an diese Tränen, die ihm über die Wangen gelaufen waren; ein Mann, der an keinem anderen Tag je geweint hatte, nicht einmal bei einem Todesfall in seiner eigenen Familie. Jahrelang hatte er ihr Ratschläge aus medizinischen Fachzeitschriften und Zeitungen gegeben, um Ramus «Zurückgebliebenheit» aufzuhalten oder gar zu kurieren. Alles, was sie unternommen hatte, um Ramus reglose Neuronen zum Leben zu erwecken, hatte sie zuerst mit Masterji besprochen: Konsultationen von Spezialisten, die im Ausland studiert hatten, Ölmassagen, innovative geistige und körperliche Übungen, Intensivkuren mit Hai-Lebertran und Kabeljau-Lebertran; Masterji hatte, trotz seines wohlbekannten Atheismus, sogar ihre Wallfahrtenzu Heiligenschreinen gutgeheißen, um göttliche Gunst für Ramus langsames Gehirn zu erflehen.
    Und da war noch eine andere Sache. Sechs Monate vor ihrem Tod hatte Purnima Mrs Puri fünfhundert Rupien geliehen, die diese wiederum einem Verwandten weiterverliehen hatte. Masterji war das von Purnima verheimlicht worden, die ihre finanziellen Unbedachtheiten (wie er es beurteilen würde) häufig von seinem Jähzorn fernhielt.
    Also nahm Mrs Puri, die einmal mehr in die Rolle der personifizierten Verantwortung geschlüpft war, Kurs auf die Slums.
    Es gab zwei Arten, wie die Bewohner der Vishram Society bislang mit der Existenz von Slums in Vakola umgegangen waren. Entweder man ließ jeden Morgen das Tor von Vishram hinter sich, ging zur Hauptstraße vor und tat so, als gäbe es in der Nähe keine andere Welt. Oder man verhielt sich pragmatisch, wie Ajwani, der Makler, und auch Mrs Puri. In den Slums hatte sie viele begabte Menschen entdeckt, Experten für kleinere Aufgaben im Haus. Hatte sie dort nicht sogar einmal einen Klempner entdeckt?
    Also nahm sie die morastige Straße, ging an zwei anderen mittelständischen Wohnungsgenossenschaften, Silver Trophy und Gold Coin, vorbei und in den Slum hinein, der sich von hier aus über kommunales Land, das der indischen Flughafenbehörde gehörte, zangengleich sogar bis direkt an den Rand der Landebahn erstreckte, sodass der erste Eindruck, den ein Besucher von Mumbai gewann, durchaus der Anblick eines Jungen aus einer schäbigen Hütte sein konnte, der einen Drachen steigen ließ oder einem seiner Freunde einen Kricketball zuwarf.
    Mrs Puri lief an einer Reihe armseliger Hütten vorbei, deren Blechtüren alle offen standen, roch Holzrauch und Petroleum. Frauen saßen davor, kämmten einander das Haar, plauderten, behielten die Töpfe mit dampfendem Reis im Blick; ein Hahn stolzierte über die Dächer. Wo hatte sie bloß den Klempner gesehen? Zwei riesige, halb fertige, eingerüstete Hochhäuser weiter unten –Mrs Puri hatte sie noch nie zuvor gesehen – steigerten ihre Verwirrung nur noch.
    Plötzlich das Dröhnen eines Triebwerks: Weiß und röhrenförmig und glänzend, wie eine sich bäumende

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