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Letzter Mann im Turm - Roman

Letzter Mann im Turm - Roman

Titel: Letzter Mann im Turm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Rückflug von London, als die Maschine wegen eines Rückstaus über dem Flughafen Schleifen drehen musste, da unten die Stadt im Sonnenlicht wie eine in Silber gehämmerte Briefmarke, akkurat und glänzend und so übersichtlich. Er sah alles, von Juhu bis Nariman Point: Bombay, das Glanzstück unter den Kronjuwelen. Er sah Südbombay und Colaba, so voller verspiegelter Gebäude, dass das ganze Land glitzerte. Er sah Chowpatty Beach, die beiden grünen Ovale der Kricketstadien; das Gebäude der Air India und dahinter das Express-Hochhaus und die Türme von Cuffe Parade …
    Das Flugzeug drehte nach rechts ab. Nun sah er die spektakulären Grenzen der Stadt, rot-grüne Klippen und Plateaus. Die Luft auf der einen Seite der Klippen war dunkelblau und kaum lichtdurchlässig, auf der anderen war sie klar. Wenn ein Mensch diese Klippen überquerte, fände er saubere Luft – er könnte atmen.
    Der Schleim in seiner Brust rumorte. Er stimmte für die saubere Seite der Klippen.
    Dharmen Shah bewegte das Flugzeug zur schmutzigen Seite der Klippen zurück.
    Das Flugzeug flog über Vakola hinweg. Er sah sein Shanghai, das inmitten der Silbertürme am silbrigsten glänzte, und daneben ein weiteres Shah-Gebäude und daneben …
    Sein kranker Körper bewegte sich auf der kalten Liege, trotz der Anordnungen des Radiologen, beanspruchte mehr Quadratzentimeter für sich und träumte selbst hier von Landgewinnung und warmem Raum.
    Es hatte eine neue Terrordrohung gegen die Stadt gegeben, und der Metalldetektor am Eingang der Infinit Mall in Andheri (West), der vor Monaten installiert, aber nie benutzt worden war, war endlich aktiviert worden.
    Er reagierte mit großem Enthusiasmus, piepste bei jeder Person dreimal, sodass jeder Mann und jede Frau, die das Einkaufszentrum betraten, zur hochgefährlichen terroristischen Bedrohung wurde. Ein schnelles Abtasten und Durchsuchen der Taschen stellte ihren Namen und ihren guten Ruf wieder her, sodass sie die Rolltreppe zum Big-Bazaar-Supermarkt im ersten oder zur Landmark-Buchhandlung im zweiten Stock nehmen konnten.
    «36 Rupien für einen Teller
bhelpuri!»
    Mr Kothari, der ehemalige Verwalter der Vishram Society, Turm A, setzte sich mit einem gehäuften Teller
bhelpuri
an einen Tisch im Lichthof des Gastronomiebereichs. Tinku, der seinen Teller in der einen Hand hielt, zog mit der anderen einen Stuhl vom Nebentisch heran und gesellte sich zu seinem Vater.
    «Das ist ein Einkaufszentrum, Vater, was erwartest du denn?» Er schaufelte das Essen in sich hinein.
    «Früher gab es hier bloß Vögel und Bäume.» Kothari schaute sich im Lichthof um. «Andheri.»
    Als hätte seine Nostalgie sie herbeigezaubert, flatterten ein paar Spatzen in den Gastronomiebereich.
    Tinku riss den Mund voller Puffreis und gewürfelter Zwiebel auf.
    «Schau mal, wer da ist, Vater.»
    «Wer? Ach, ignorier sie einfach. Iss weiter.»
    «Vater, sie kommen hierher.»
    «Kann ein Mann nicht einmal sein
bhelpuri
in Ruhe essen. Für das er 36 Rupien …»
    Kothari rutschte beim Lächeln ein Stück Tomate aus dem Mund. Er saugte es wieder ein.
    «Sie haben wohl Ihre alten Nachbarn schon ganz vergessen, was?»
    Ibrahim Kudwa kam mit Klein-Mariam auf dem Arm an ihren Tisch, Mumtaz, die zwei Einkaufstüten trug, folgte ihm, Kudwa schleifte einen Metallstuhl an ihren Tisch.
    «Ich habe gerade zu Tinku gesagt, dass es Zeit wäre, euch mal anzurufen – und wer taucht da auf?»
    «Du siehst gut aus, mein Junge.» Kudwa klopfte Tinku auf den Rücken. «Gesund.»
    Der fette Junge zuckte zusammen. Er wusste, was das heißen sollte.
    Während Kothari Mariam die Wangen streichelte, fragte ihr Vater: «Wo wohnt ihr jetzt?» «Genau hier. Andheri West.»
    «Aber …», Kudwa runzelte die Stirn, «in Andheri West gibt es keine Flamingos.»
    «Flamingos waren etwas für große Männer wie meinen Vater. Mir genügen diese Kerlchen hier vollkommen.» Kothari zeigte auf die Spatzen, die im Gastronomiebereich herumhüpften. «Wir wohnen in der Capriconius Society. Hinter der HDFC-Bank an der Verbindungsstraße zwischen Juhu und Versova. Anständiges Haus. Anständige Leute.»
    «Sie wollen, dass Papa dort auch Verwalter wird», sagte Tinku, und sein Vater errötete.
    «Etwas
bhelpuri
für dich, Ibrahim? Oder dich, Mumtaz? Ein Löffelchen für Mariam?»
    «O nein», sagte Kudwa. «Ich muss jeden Tag drei Tabletten gegen Sodbrennen nehmen, um überhaupt einschlafen zu können. Meine Frau hat mir verboten, außer Haus zu essen.» Er blickte sie

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