Letzter Mann im Turm - Roman
das ‹H› abhandengekommen. Wie nachlässig diese Schickeria ist. Wenn das mein Hotel wäre, hätte ich den Manager erschießen lassen.»
Mr Shah zeigte jetzt mit dem Finger Richtung Norden, ein, zwei Male, um einen weit, weit entfernten Ort in dieser Richtung anzudeuten.
«1978, als ich immer noch dabei war, mich in diese Branche einzuarbeiten, hat mir ein Freund, ein Makler, ein ganzes Stockwerk in einem neuen Bauprojekt in Cuffe Parade angeboten. Das hieß Maker Towers. Der Preis betrug 3800 Rupien pro Quadratmeter. Es sollte ein ganz neues Projekt werden, eine Kleinstadt, erbaut auf neu gewonnenem Land. Ich sah mir das Gebäude und die Gegend an. Dann rief ich meinen Freund an und sagte Nein. Warum? Das Gebäude wurde auf einem Boden errichtet, der noch fünf Jahre zuvor vom Meer bedeckt gewesen war, und ich dachte,Land ist Land und Wasser ist Wasser. Eines Tages wird das Wasser dieses Land wieder verschlucken. Ein Quadratmeter in Maker Towers wäre heute wahrscheinlich das Zwei- oder Dreitausendfache meiner ursprünglichen Investition wert. Zehn Jahre später kam ich eines Tages wieder an Maker Towers vorbei, und ich sah dieses Gebäude und wie stabil es aussah und in dem so viele Leute sich Wohnungen gekauft hatten, und ich dachte: Ich bin besiegt worden. Jemand hatte einen größeren Traum als ich. Und auf der Stelle habe ich Siddhi Vinayak versprochen: Ich werde diese Stadt nie wieder unterschätzen. Bombays Zukunft liegt im Osten, Shanmugham. Dort gibt es Platz; und wenn erst einmal neue Straßen und S-Bahn-Linien entstanden sind, wird der Osten wachsen. Wir werden 270.000, vielleicht 380.000 pro Quadratmeter für das Shanghai bekommen. Für das nächste Objekt, das wir bauen, sogar noch mehr. Vishram ist ein altes Genossenschaftshaus. Aber es ist das berühmteste Gebäude in der Gegend. Wir werden es übernehmen und abreißen – und jeder wird wissen, dass Vakola uns gehört.»
Er lächelte seinen Assistenten an. «Wir werden es in Angriff nehmen. Gemeinsam. Seit sechs Jahren arbeiten wir zusammen. Wir arbeiten gut zusammen. Willst du diesen neuen Job für mich übernehmen?»
Seit sechs Jahren, bei jedem neuen Projekt, bekam Shanmugham diese Frage gestellt, und seit sechs Jahren beantwortete er sie auf dieselbe Art. Er streckte den Arm aus, zeigte seinem Boss die geballte Faust und öffnete sie dann.
«Ich habe diese Genossenschaft völlig in der Hand. Ich kenne diese Leute in- und auswendig.»
Einer der Obdachlosen, einer von denen, die unter der Betonbrücke schliefen, die über die Schnellstraße führte, hatte die beiden unter seiner Decke hervorlugend beobachtet. Als er den großen Mann im weißen Hemd auf sich zukommen sah, versteckte er sich wieder darunter.
Shanmugham winkte eine langsam vorbeifahrende Autorikscha heran. Ein paar Augenblicke später kehrte er mit Kothari, dem Verwalter, zu der Stelle zurück, wo der Bauherr wartete.
«Tut mir leid. Konnte nicht mit meinem Roller kommen. Musste eine Autorikscha nehmen. Was für ein Verkehr!»
Mr Shah wischte die Entschuldigung beiseite.
«Wenn ich jedes Mal, wenn ein Mann im Stau steckt, gleich die Flinte ins Korn werfen und gehen würde, würde ich in dieser Stadt nie jemanden treffen. Sie haben doch niemandem gesagt, dass Sie hierherkommen?»
«Mir wurde gesagt, dass ich es für mich behalten soll.» Der Verwalter sah Shanmugham an. «Nicht mal meine Frau weiß davon. Selbst
ich
weiß nicht, weshalb ich hier bin.»
«Nichts Besonderes. Die Feier meines Sohnes. Er hat nächste Woche Geburtstag, aber wir feiern heute Abend. Ich wollte nur, dass Sie mir bei ein paar Häppchen Gesellschaft leisten. Ein paar Drinks, falls Sie mögen.»
Kothari atmete tief aus. «Natürlich. Wie nett von Ihnen. Warten wir noch auf Mr Ravi, den Verwalter von Turm B?»
«Nein. Er ist nicht eingeladen.»
Die Autotüren schlugen zu, und dann fuhren sie in die Stadt. Zusammengesunken, die Hände zwischen den Knien, saß Kothari da.
«Sind Sie schon mal in Malabar Hill gewesen?», fragte der Bauherr.
«Ein- oder zweimal in den hängenden Gärten. Sonst nicht.»
«Ich lebe seit zwölf Jahren in Malabar Hill. Und ich war noch nie in den hängenden Gärten.»
Beide lachten. Der Verwalter richtete sich auf und atmete tief aus.
Der gegrillte Hammel zerging auf der Zunge wie heiße Trinkschokolade.
Der Verwalter öffnete die Augen, trocknete sie mit dem Zeigefinger und hielt Ausschau nach Hühnerkebab. Der war auf einem Silbertablett am anderen Ende von Mr
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