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Letzter Mann im Turm - Roman

Letzter Mann im Turm - Roman

Titel: Letzter Mann im Turm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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hat er auch sofort Nein gesagt.»
    Er grummelte vor sich hin.
    «Und jetzt geh rauf und weck ihn. Er hat noch nicht zu Abend gegessen.»
    Mr Pinto schaute aus dem Fenster. Unten hatte sich die Menge in zwei Gruppen aufgespalten; einige Anwohner standen um Mrs Rego herum («alle Bauherren sind Lügner, und der da ist keine Ausnahme»), und andere lauschten direkt unter seinem Fenster Ajwani, dem Makler.
    «Unsere Wohnung ist 75,5 Quadratmeter groß. Bei 200.000 Rupien pro Quadratmeter macht das …»
    Ajwani zeichnete die Anzahl der Nullen in die Luft.
    «Und meine ist größer als Ihre, Ajwani», sagte Mrs Puri, «2 Quadratmeter größer. Das heißt, ich bekomme …»
    Mit einem dicken Finger schrieb sie ihre Zahl über die Ajwanis. Dann schrieb Ibrahim Kudwa seine Zahl über die ihre.
    «Aber meine ist noch ein bisschen größer als Ihre, Mrs Puri …»
    Mr Pinto schüttelte den Kopf.
    «Müssen die morgen nicht arbeiten?», flüsterte er seiner Frau zu. «Müssen ihre Kinder morgen nicht zur Schule? Sie vergessen alles, bloß wegen diesem Geld.»
    «Sie sind sehr aufgeregt, Mr Pinto. Sie werden das Angebot annehmen und uns aus dem Haus werfen.»
    «Wie kannst du so etwas sagen, Shelley! Dies ist eine eingetragene Wohnungsgenossenschaft und nicht der Urwald. Wenn auch nur einer Nein sagt, kann das Haus nicht abgerissen werden. Lass uns jetzt zu Abend essen.»
    Seine Frau erhob sich vom Bett.
    «Sei nicht wütend. Bitte geh hoch und weck Masterji auf. Wir sollten alle etwas Suppe und Brot essen.»
    «In Ordnung», sagte Mr Pinto und zog sich die Schuhe an.
    Der schwarze Mercedes steckte seit einer halben Stunde auf der Vakola-Schnellstraße im Verkehr fest. «Irgendetwas beschäftigt dich, Shanmugham.»
    Er drehte sich auf dem Vordersitz um, um seinen Arbeitgeber anzusehen. «Nein, Mr Shah.»
    «Lüg nicht. Ich habe dich beobachtet, während ich zu diesen Leuten in Vishram gesprochen habe. Du hast dir dauernd die Hände gerieben.»
    «190.000 pro Quadratmeter, Sir. Turm A wurde 1959 oder 1960 erbaut. 100.000 wäre ein sehr guter Preis für ein solches Haus gewesen.»
    Sein Arbeitgeber gluckste.
    «Shanmugham, seit sechs Jahren arbeitest du nun für mich und bist immer noch ein Dummkopf. Ich habe 10.000 Rupien pro Quadratmeter
zu wenig
gezahlt.»
    Allmählich löste sich der Stau auf. Im Rückspiegel sah Mr Shah seinem Assistenten in die Augen.
    «Diese Leute wären von einem Angebot von 100.000 pro Quadratmeter hin und weg. 200.000 ist deshalb eine ganz unglaubliche Summe. Richtig? Und 190.000 fühlt sich für diese Leute wie 200.000 an.» Er summte einen alten Hindi-Filmsong.
    «Nach links abbiegen», wies Shanmugham den Fahrer an, als sie auf der Schnellstraße nach Bandra waren. «Schnell. Bieg nach links ab. Die Zufahrtsstraße runter, bis ich sage, dass du anhalten sollst.»
    «Das sind immer noch 200 Prozent über dem Marktpreis. Wir werden im Shanghai 270.000 pro Quadratmeter mehr verlangen müssen, um Gewinn zu machen. Dies ist Ost-Bombay, Sir. Wer wird denn so viel Geld zahlen, um hier zu leben?»
    «Man darf diese Leute nicht kränken, Shanmugham. Man kann ihnen nicht bloß 10 oder 15 Prozent über dem Marktwert anbieten. Man bittet sie schließlich, ihr Zuhause aufzugeben, für manche das einzige Zuhause, das sie je hatten. Man muss die menschliche Gier in Rechnung stellen.»
    Der Fahrer hielt jetzt auf dem unbebauten Land neben der Schnellstraße.
    «Der Verwalter sagte, er würde uns hier treffen, Sir. Er ruft an, wenn er auf der Schnellstraße ist.»
    «Lass uns aussteigen, Shanmugham. Ich hasse es, bloß herumzusitzen.»
    Am Ende des unbebauten Landes stand ein großes Gebäude mit den Buchstaben YATT in Weiß und einem roten Bogen darunter, wie der abschließende Schnörkel einer Unterschrift. Dahinter das schwache Funkeln Vakolas. Ein paar neugierige Gesichter. Ein paar Männer durchquerten das Brachland auf dem Weg zu ihren Hütten.
    «Siehst du die Stelle, wo sie ein paar Zelte aufgestellt haben?» Mr Shah deutete auf eine Fläche in der Nähe der Gebüsche. «In fünf Tagen wird da ein ganzer Slum stehen. Keine Besitzurkunden, keine Titel, keine Rechtsansprüche. Was für ein Hunger nach Land.» Er rieb sich die Hände, wobei seine Ringe aneinanderschabten. «Den habe ich auch. Du weißt ja, dass dein Boss vom Land kommt. Er hat keinen Collegeabschluss, Shanmugham; er kaut Betel wie einer vom Land. Aber Hunger ist eine hervorragende Eigenschaft. Schau –» Er zeigte auf das Hotel. «Ihnen ist

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