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Letzter Mann im Turm - Roman

Letzter Mann im Turm - Roman

Titel: Letzter Mann im Turm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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mit gewürzten
farsan,
der Ladenbesitzer fegte alles in eine Plastiktüte.
    Tüten mit Erdnüssen, unbehandelt und in Masalateig, zu zehn Rupien, eine Tüte Frito-Lay-kurkure-Chips, masalagewürzt. Noch eine Tüte Erdnüsse? Warum nicht.
    «Wissen Sie, mein Vater kommt uns besuchen.»
    «Ein freudiger Anlass», sagte der Ladenbesitzer. «Sie kaufen Süßigkeiten für ihn. Sind ein guter Sohn.»
    «Geben Sie mir doch noch ein paar Bananenchips, für alle Fälle. Eine kleine Tüte reicht.»
    Mit einem halben Kilo Knabbereien in der Einkaufstüte ging Gaurav Murthy nach Hause. Viertel vor fünf. Sein Vater hatte gesagt, er käme um 17 Uhr. Was hieß, dass er bereits da war.
    Er hätte sich nicht so weit von seiner Genossenschaft entfernen sollen, aber in Dhobi Talao waren die Snacks billiger. Er blieb vor seinem Wohnhaus stehen, um wieder zu Atem zu kommen, und auf dem Balkon fiel ihm ein Stern auf, der vom letzten Deepavali, dem Lichterfest, übrig geblieben war. Er war sich sicher, dass sein Vater ihn auch schon bemerkt hatte. («Warum hängt er immer noch da oben? Bezahlst du denn nicht das Dienstmädchen, damit …») Er griff in seine Einkaufstüte und riss eine Tüte
chikki
auf. Kaute Erdnüsse. Sein Vater würde sich über ihn lustig machen, weil er zugenommen hatte. Er kaute schneller.
    Vatersöhnchen. So hatte ihn seine Mutter genannt, als er ganz klein gewesen war, als er mit blöder, animalischer Freude aufsprang, wenn es abends an der Tür klingelte, und seinem Vater durch die ganze Wohnung folgte, selbst bis ins Badezimmer, aus dem man ihn hinausschieben musste. Die Entzauberung setzte ein, als er vierzehn war und seine Mutter, von seinen Onkeln bestohlen, aus Suratkal zurückgekommen war. Er entdeckte, dass sein Vater, der ihm für das kleinste Vergehen mit einem Stahllineal auf die Knöchel schlug, sich nicht gegen die beiden Diebe wehren konnte. Verachtung machte sich in ihm breit, die Verachtung eines Sohnes, der von einem schwachen Vater geschlagen wird. Als seine Schultern breiter wurden, wuchs auch seine Verachtung. Sein Vater wollte, dass er Wissenschaftler oder Rechtsanwalt wurde, ein Mann, der mit seinem Verstand arbeitete; er beschloss, ein Wirtschaftsstudium aufzunehmen. In der Universitätsbibliothek blickte er von seinen Büchern auf und dachte daran, was sein Vater am Vortag getan oder gesagt hatte. Wie eine Aktie des Bombay Sensex wurde der Wert von Yogesh Murthy im Kopf seines Sohnes täglich neu berechnet, und täglich sank der Wert.
    Ein Mann kann sich seinen Vater nicht aussuchen, aber wenn er Abstand zu einem unsympathischen Vater hält, gibt die Gesellschaft immer
ihm
die Schuld. Gaurav fand das eine schreiende Ungerechtigkeit.
    Als er an der Tür klingelte, konnte er Schreie vom Genossenschaftsgrundstück hören; er identifizierte den besonders schrillen Klang, der seinem Sohn zu eigen war.
Warum ist der Junge nicht gleich nach oben gegangen?
    Das Dienstmädchen öffnete die Tür. Sein Vater stand im Wohnzimmer und bewunderte Sonals neueste Erwerbung, einen großen, bis zum Rand mit Wasser gefüllten Bronzezierteller, auf dem die roten Blätter des Flammenbaums schwammen.
    «Guck mal, Gaurav, Schwiegervater hat Ronak ein hübschesGeschenk mitgebracht», sagte seine Frau und zeigte ihm die Packung mit den Leuchtsternen. «Wie lieb von ihm, Geld auszugeben.»
    Sie sagte, es sei Zeit, ihren Vater zu füttern, zog sich in das Nebenzimmer zurück und überließ die beiden Männer dem Thema des Tages.
    «Das Leben ist schwierig, Vater. Sonals Leben ist sehr schwierig.»
    «Ich dachte, du hättest einen guten Job, mein Junge.»
    Als Gaurav sprach, hatte Masterji den Eindruck, er rede mit jemandem auf seiner rechten Schulter. Er drehte den Kopf, um den Blick seines Sohnes einzufangen, der daraufhin die Blicke noch ein Stück weiter nach rechts schweifen ließ.
    «Der Job ist o.k., Vater. Es sind andere Dinge, die nicht o.k. sind. Stress. Die ganze Zeit. Ich gehe deswegen jetzt zu einem Guru. Tante Sangeeta hat mir von ihm erzählt. Ich muss Mantras singen.»
    Sein Vater war natürlich Rationalist. Gleich würde eine spitze Bemerkung kommen. Gaurav biss in das
chikki.
    «Wann unterschreibst du das Angebot, Vater, und nimmst das Geld?»
    Aus dem anderen Zimmer lieferte Sonal den Text, den er vergessen hatte. «Schwiegervater, es geht um Dinge wie Einkommensteuer, Erbschaftsteuer. Die Lebensversicherung. Wir müssen planen. Je eher du ‹Ja› sagst, desto besser für uns alle.»
    Während er

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