Letzter Mann im Turm - Roman
Ihnen, Mrs Puri.»
«Ich weiß, Sie mögen keine Bauherren. Tun Sie’s nicht für Mr Shah. Tun Sie’s für Ihre Kinder. Wenn kleine Leute wie wir Kompromisse machen, ist es das Gleiche, als ob sich die hohen Tiere weigerten, Kompromisse zu machen. Die Welt wird ein bisschen besser.»
Mrs Puri brauchte noch eine halbe Stunde. Dann umarmten sich die beiden Frauen; durch einen Schleier echter Tränen hindurch sah Mrs Puri einen glänzenden Schrank aus Holz, voller neuer, duftender Kleider für Ramu. Je mehr sie weinte, desto größer wurde der Schrank.
Wenn irgendjemand ein kleines Extra verdient,
dachte sie mit geschlossenen Augen, während sie den Rücken ihrer Freundin tätschelte,
dann Ramu und ich.
In der Wohnung 2 A der Vishram Society hielten Mrs Pinto und ihr Mann auf dem karierten Tischtuch ihres Esstisches Händchen.
Masterji ließ seine Knöchel knacken. Er saß auf dem Sofa.
«Na und, dann hat Mrs Rego eben ihre Meinung geändert. Wir sind zu dritt, und das genügt. In Rom gab es dieses Triumvirat. Cäsar, Crassus, Pompeius. Wir werden wie diese Männer sein. Das Vakola-Triumvirat.»
«Möchten
Sie
denn das Geld, Masterji?», fragte Mr Pinto. «Wenn dem so ist, werden Shelley und ich das Angebot annehmen. Wir wollen Ihnen nicht im Wege stehen.»
«Wie können Sie nur diese Frage stellen, Mr Pinto. Wie können Sie nur …»
«Wie eine ausgepresste Zitrone. So werden sie sich mit jedem Tag, der verstreicht, fühlen», sagte Mr Pinto und dachte an das, was ihm Ajwani am vorigen Abend im Parlament erzählt hatte. «Gestern hat mir Mrs Saldanha zugelächelt, als ich durch das Tor ging. Aber sie hat nicht gelächelt, als ich wieder zurückkam. In diesen fünf Minuten wird sie das Ticken der Uhr für den Stichtag gehört haben.»
«Ich habe keine Veränderungen festgestellt», sagte Masterji. «Unsere Nachbarn sind robuste Menschen.»
«Wir würden
Ihretwillen
Mr Shah nachgeben, Masterji. Würden wir doch, Shelley?»
Masterji spürte, wie der Boden unter ihm schwankte, als stündeer im Sand des Juhu-Strandes, als leckten die Wellen an seinen Füßen.
Aber ich mache es doch ihretwegen,
dachte er.
Er sah in Mr Pintos altes Gesicht, der wiederum in Shelleys altes Gesicht starrte; er sah ihre ineinander verschränkten, arthritischen Finger auf dem Tisch.
Sie wollen nicht, dass man sie für die Leute hält, die allen anderen im Wege stehen.
Sein Blick wanderte über den Esstisch mit dem rot-weißen Tischtuch, an dem er seit dem Tod seiner Frau die Mahlzeiten eingenommen hatte.
«Ich möchte Mr Shahs Angebot nicht annehmen», sagte er.
«Ich lebe seit langer Zeit in Vishram mit meinen Freunden, und ich möchte hier mit ihnen sterben. Da es nichts weiter hinzuzufügen gibt, sehen wir uns beim Abendessen.»
Im dämmrigen Licht des Treppenhauses untersuchte er die alten Wände seiner Genossenschaft, den angegrauten, gelben Anstrich, die Kerben, Flecken und Regenwasserspuren.
Jetzt kam es ihm so vor, als hätte Mr Pinto recht gehabt. Sie hatten sich tatsächlich seit einiger Zeit verändert. Seine Nachbarn. Wenn Ajwani ihn auf der Straße traf, wandte er sich ab und tat so, als würde er mit dem Handy telefonieren. Masterji berührte eine frische weiße Kerbe in der Wand. Der Verwalter. Hier geschah die Veränderung subtiler; die Lachfalten unter den schneeigen Augenbrauen vertieften sich mit jedem Lächeln weiter.
Purnimas Aufgabe im Leben war es gewesen, ihn in seine Schranken zu weisen, und nun zwang ihn dieses dämmrige Treppenhaus zur Selbstreflexion, als hätte sich ihr Geist hier reinkarniert.
Du tust es schon wieder,
sagte sie.
Unterstellst den Leuten das Schlechteste.
Er stand im Treppenhaus und kratzte Dreck aus den achteckigen Sternen des Gitters.
Eine halbe Stunde später lag er, die rosafarbene orthopädische Bandage zur Entlastung um das Knie, auf seinem Bett und drehte den Zauberwürfel, als zwei Hände an seine Tür klopften; der eine Rhythmus nachdrücklich, der andere salbungsvoll.
«Ich komme, Mrs Puri. Und klopfen Sie nicht so laut, Ajwani.»
Als er die Tür öffnete, lächelte Mrs Puri.
«Masterji, ich war gerade unten bei den Pintos. Und habe sie nochmals gefragt, ob sie unterschreiben werden.»
Ajwani hielt sich knapp hinter Mrs Puri und betrachtete seine Füße. Masterji spürte, dass zwischen den beiden eine gewisse Spannung herrschte und dass er der Grund für diese Spannung war.
«Sprechen Sie nicht mit den Pintos. Sprechen Sie mit mir. Meine Antwort ist immer noch
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