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Letzter Mann im Turm - Roman

Letzter Mann im Turm - Roman

Titel: Letzter Mann im Turm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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«Ibby» sagte.
    Er lächelte. «Sangeeta-ji», sagte er.
    «Ibby, das Internet bei mir ist heute so langsam. Ich weiß nicht, ob vielleicht das Kabel locker ist oder …» Sie lächelte Mumtaz an. «Ihr Mann ist mit Computern und Kabeln so geschickt.»
    Mumtaz beobachtete, wie ihr Mann Mrs Puri die Treppe hinauffolgte. Er würde wieder runterkommen und so reden wie sie. Würde ‹Oioioi› in jedem zweiten Satz sagen. So, wie der Körper eines untreuen Ehemannes nach dem Parfum der anderen roch, übernahm Ibrahims Stimme die Sprechweise der Frauen, die er zu beeindrucken suchte.
    Auf die Frage, welches Paar in ihrem Wohnhaus am wenigsten zusammenpasse, würden sich Vishrams Bewohner schwertun, zwischen den Puris und den Kudwas zu entscheiden. Vor Mohammads Geburt hatte Mumtaz in einer Zahnklinik in Khar (West) gearbeitet; mittlerweile ging sie einmal am Tag aus dem Haus, um Mohammad von der Schule abzuholen, und von Festtagen wie dem Tag der Republik abgesehen, sprachen die anderen Bewohner kaum mit ihr. Ibrahim machte es sich bei anderen Leuten bequem. Drückte ständig auf irgendeine Klingel, um einen Schwatz zu machen, eine Mitfahrgelegenheit auf seinem Roller oder eine Gratisstunde in seinem Internetcafé anzubieten, und man hatte das Gefühl, dass er lieber auf dem Sofa anderer Leute Fernsehen geguckt hätte als auf seinem eigenen.
    Es war eine arrangierte Ehe; selbst in der Anfangszeit, der glücklichsten Zeit, waren Mumtaz an ihrem Mann lauter seltsame Eigenheiten aufgefallen. Wenn Ibrahim wie ein Erwachsener behandelt wurde, benahm er sich wie ein Kind. Dankbar, in eine Gruppe aufgenommen zu sein, tat er alles, was die anderen von ihm verlangten, selbst wenn es ihn erniedrigte oder in Gefahr brachte. In seinem eigenen Heim geriet er völlig aus dem Häuschen, wenn ihm am Abendbrottisch die eigenen Eltern Aufmerksamkeit schenkten. Eines Tages nahm sie all ihren Mut zusammen und fragte ihn: «Warum zerbrichst du dir ständig den Kopf darüber, was sie von dir denken?» Er war tagelang wütend; und dann verkündete er, ohne mit ihr Rücksprache zu halten, dass sie von nun an von seiner Familie getrennt leben würden. Sie zogen in ein altes Gebäude voller Hindus und Christen, und Ibrahims Verhalten verschlimmerte sich. Mrs Puri belästigte ihn dauernd wegenlauter kleiner Gefälligkeiten – einer kostenlosen Tube Zahnpasta mit Kaliumnitrat für empfindliche Zähne beispielsweise –, und Ibrahim, der nicht Nein sagen konnte, hatte sie gezwungen, sechs Tuben aus der Zahnklinik zu schmuggeln («das ist kein Diebstahl, sondern für eine Nachbarin»).
    Allein schon um ihren Mann von dieser Frau zu befreien, war es eine gute Sache, von Vishram wegzuziehen, fand sie.
    Sie schaute zur Tür, das Kind auf dem Schoß, und war sich nur undeutlich bewusst, dass die Stimmen lauter wurden, als Ajwani und der Verwalter anfingen, sich zu streiten.
    Masterji fühlte sich zu schwach, um den Abendzug zu nehmen, und hatte vor Gauravs Haus ein Taxi angehalten. Warum nicht? Ein reicher Mann konnte sich schließlich auch bewegen wie ein reicher Mann. Er streckte die Hand aus dem Fenster und klopfte von außen an den schwarzen Fiat. Die Fahrt mit dem Auto dauerte mindestens eine halbe Stunde länger als die Zugfahrt; als er an der Villa des Bürgermeisters im Shivaji-Park vorbeifuhr, fühlte Masterji sich besser. Er stieg in der Nähe der Bandra-Moschee aus, überquerte die Straße und wartete auf eine Autorikscha, um auf dem letzten Stück seiner Rückfahrt ein bisschen Geld zu sparen.
    Kaum hatte er das Tor der Vishram Society aufgesperrt, kam ein dunkler Körper aus dem erhellten Gebäude auf ihn zugerannt und umarmte ihn stürmisch.
    «Danke, Onkel! Vielen Dank.»
    Radhika Saldanha – wie er nach einem kurzen Moment der Verwirrung erkannte, als sie sich umdrehte und wieder zurück in ihre Wohnung stürzte.
    Mrs Saldanha beobachtete ihn durch den Riss in ihrem Vorhang und lächelte ihm zu, als er das Gebäude betrat.
    Wie gewohnt blieb er vor dem Schwarzen Brett stehen: Ein neuer maschinengeschriebener Aushang war mit einem Nagel in die Mitte gepinnt worden.
    BEKANNTMACHUNG
    Wohnungsgenossenschaft Vishram Society
Vakola, Santa Cruz (Ost), Mumbai – 400055
    Protokoll der außerordentlichen Mitgliederversammlung des
Turms A, abgehalten am 6. Juli
    THEMA: AUFLÖSUNG DER WOHNUNGSGENOSSENSCHAFT
    Alle Mitglieder waren um 17.30 Uhr anwesend.
    Ramesh Ajwani (2 C) übernahm den Vorsitz und leitete die Versammlung.
    PUNKT 1 DER

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