Letzter Mann im Turm - Roman
Vegetarier war und wer nur so tat; wer Rumtrinker war, wer Gintrinker und wer während seines Singapur-Urlaubsein Pornoheft gekauft hatte. Diese Katze – einigen zufolge rötlich braun und mager, anderen zufolge schwarz und glänzend – schien vor allem dafür sorgen zu wollen, dass es im Gebäude kein Privatleben gab. Erst kürzlich hatte das rötlich braune (das schwarze) Ding Mrs Puri zu einer abscheulichen Entdeckung verholfen, als die Katze die Mülltonne von 3 B (der Wohnung, die Kothari dem wissbegierigen Fremden gezeigt hatte) umwarf.
«Unter jungen Leuten heutzutage ist es üblich, dass Mann und Frau zusammenleben, ohne verheiratet zu sein», sagte er. «Am Ende sagt der eine zum anderen, du gehst deinen Weg und ich meinen. Heutzutage gibt es kein Schamgefühl mehr – was soll ich Ihrer Meinung nach denn dagegen tun?»
(Mr Pinto, von einem Börsenbericht im Fernseher abgelenkt, musste von seiner Frau über das Gesprächsthema aufgeklärt werden. «… die moderne junge Frau auf unserem Stockwerk.»)
Mrs Puri wandte sich nach links und rief: «Ramu, hast du den Hund gefüttert?»
Ramu, dessen weiches, bleiches Gesicht typisch für das Downsyndrom war, schaute verwirrt drein. Seine Mutter und er stellten bei dem schwarzen Kreuz immer eine Schüssel mit
channa,
Kichererbsen, für die streunenden Tiere hin, die über das Genossenschaftsgelände strichen; er schaute nach der Schüssel. Der Hund hatte sich bereits darüber hergemacht.
Mrs Puri wandte sich wieder dem Verwalter zu, um eine Sache klarzustellen – das Argument über die moderne, schamlose Lebensweise ließ sie nicht gelten.
«Ich habe einen halbwüchsigen Sohn.» Sie senkte die Stimme. «Ich möchte nicht, dass er mit den falschen Leuten in einem Haus lebt. Sie sollten Import-Export-Hiranandani anrufen, und zwar sofort.»
Es war nur zu verständlich, dass Mr Hiranandani, der Eigentümer und frühere Bewohner von 3 B, ein gewiefter Importeur-Exporteur obskurer Waren und berüchtigt dafür, Phosphate undPeroxide listenreich am Zoll vorbeizuschmuggeln, in ein besseres Viertel (Khar West) gezogen war – sie alle träumten davon. Die unterschiedlichen Vermögensverhältnisse der Bewohner blieben nicht unbemerkt – Mr Kudwa war mit seiner Familie im vergangenen Sommer in Ladakh gewesen, statt die Ferien im nahe gelegenen Mahabaleshwar zu genießen wie alle anderen, und Ajwani, der Makler, besaß einen Toyota Qualis; dennoch waren dies bloß unwesentliche Höhen und Tiefen inmitten der gleichmacherischen Schäbigkeit der Vishram Society. Der wahre Aufstieg bestand darin, aus dem Genossenschaftshaus auszuziehen. Sie hatten an ihren Fenstern gestanden und Mr Hiranandani zugejubelt, als er mit seiner Familie nach Khar West aufgebrochen war, aber sein Betragen seitdem war dennoch skandalös. Er hatte die Personalien dieser jungen Mieterin nicht überprüft, er hatte eine Kaution von ihr genommen und ihr die Schlüssel für 3 B ausgehändigt, ohne den Verwalter oder seine Nachbarn zu fragen, ob sie eine unverheiratete Frau – noch dazu eine Journalistin – auf ihrem Stockwerk haben wollten. Mrs Puri schnüffelte keineswegs herum, wollte gar nicht wissen, was sich hinter den Wänden der Nachbarwohnung abspielte – aber wenn einem Kondome vor die Wohnungstür fielen, also bitte!
Während sie sich unterhielten, nahm ein Abwasserrinnsal Kurs auf sie.
Ein Leitungsrohr aus Mrs Saldanhas Küche im Erdgeschoss floss direkt auf das Grundstück ab; obwohl sie oft gescholten worden war, hatte sie ihre Küchenspüle nie an die Hauptabwasserleitung angeschlossen, und sobald sie zu kochen begann, rülpste den Parlamentariern das Rohr genau vor die Füße. Mrs Saldanha war sonst in jeder Hinsicht eine ruhige, nachgiebige Frau – ihr Mann, der «in Vizag arbeitete», war in Vishram seit Jahren nicht mehr gesehen worden –, aber was das Wasser betraf, war sie unverschämt. Weil sie im Erdgeschoss wohnte, bekam sie länger Wasser als alle anderen und sie machte dreist Gebrauch davon.Dass sie ihr Schmutzwasser aufs Grundstück laufen ließ, unterstrich nur ihre Wasserarroganz.
Ein schimmernder Wasseraal, dessen Körper nun mit rötlicher Erde befleckt war, kroch auf das Parlament zu. Mr Pinto hob die Vorderbeine des «besten Stuhls» und brachte sich außer Reichweite des Abwasseraals, dann beachtete ihn keiner mehr.
«Haben Sie jemanden in ihre Wohnung gehen sehen?», fragte der Verwalter.
«Natürlich nicht», sagte Mrs Puri. «Ich stecke doch meine Nase
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