Leuchtfeuer Der Liebe
mit dem Handrücken versehentlich ihre Brust. Er erschrak. Sie fühlte sich fiebrig und steinhart an. Die Brüste schienen zum Platzen geschwollen.
„Grundgütiger", sagte er wieder und verbarg seinen Schreck hinter Unmut. Er richtete sich mit dem Baby auf, fürchtete beinahe, das Neugeborene fallen zu lassen, das sich mit erstaunlicher Kraft aufbäumte und brüllte wie am Spieß.
„Der Kleine bekommt keine Milch", wimmerte Mary nun, der die Tränen nur so übers Gesicht liefen. „Und es tut so furchtbar weh."
Jesse wiegte das Baby im Arm, das plötzlich verstummte. „Was kann ich denn tun?"
Mary wimmerte nur leise.
Fluchend ging Jesse zum Waschtisch. Er hatte gehofft, sich nicht mit dem kleinen Eindringling befassen zu müssen. Er hatte gedacht, Mary würde allein damit zurechtkommen. Jesse wollte für sie sorgen, und sie sollte sich um ihr Kind kümmern.
Aber offenbar wurde ihm wieder ein Strich durch die Rechnung gemacht. Bereits jetzt brach das Chaos aus. Das Baby zwang ihn, sich einzumischen.
Er tauchte ein Handtuch in die Waschschüssel, wrang es aus und brachte es Mary. „Hier. Vielleicht hilft es, wenn du dich kühlst."
Stöhnend legte sie sich das feuchte Tuch an die Brüste und schloss die Augen. Sie wirkte erschöpft und bleich, ihre Mundwinkel waren verhärmt nach unten gezogen. Eine Haarsträhne hing ihr über die Augen. Jesse strich sie ihr mit einem Finger hinters Ohr.
Das Baby holte tief Luft und sammelte Kräfte für das nächste Geschrei. Rasch richtete Jesse sich auf. „Ruh dich aus", sagte er und floh aus der Kammer.
Im dunklen Wohnraum ging er rastlos auf und ab, und der Groll in ihm wuchs von einer Minute zur nächsten. Er hatte um all diese Scherereien nicht gebeten. Nicht um Mary und schon gar nicht um ihr Kind. Er wusste nicht, wie lange er hin und her gewandert war in dem Gefühl, eine Glut schwele in ihm. Irgendwann hörte er ihre schläfrige Stimme, die nach ihm rief.
Vorsichtig öffnete er die Tür und bemerkte eine leichte Veränderung an Mary. Der schmerzhaft angestrengte Zug war aus ihrem Gesicht gewichen, sie lächelte schwach.
Ihr Nachthemd und die Bettdecke waren durchnässt. „Ich glaube, jetzt kann ich stillen."
Schweigend half er ihr vorsichtig aus dem Bett, dem ein süßlicher Milchgeruch entströmte, und zog ihr ein frisches Nachhemd an.
Er half ihr, sich auf den Stuhl zu setzen, reichte ihr den Säugling und machte sich daran, das Bett frisch zu beziehen, ohne in Marys Richtung zu schauen. Doch die schmatzenden Geräusche des gierig saugenden Kindermunds ließen ihn wissen, dass die Krise überstanden war.
Wenigstens vorübergehend.
Am nächsten Tag trafen die Besucher mit Geschenken ein. Und immer wieder flössen Mary Tränen der Freude und der Erschöpfung. Alle waren so gut zu ihr, alle bewunderten das Baby, sorgsam darauf bedacht, nichts Falsches zu sagen.
„Er ist Ihnen wie aus dem Gesicht geschnitten, Mary", erklärte Hestia. „Er hat jetzt schon Ihr schönes rotes Haar. Jesse wird gewiss sehr stolz sein."
Mary lächelte dankbar alle an. Keiner der Gratulanten machte eine Bemerkung darüber, dass Jesse nicht der Vater des kleinen Davy war.
Als Abgesandte des Hauses Swann überbrachte Hestia die Geschenke - handgenähte Quilts, Rasseln und Beißringe, Spielsachen, Jäckchen, Pullover, Schühchen und Mützchen. Auch Fiona überbrachte ihre Glückwünsche, rief schon von weitem, als sie mit ihren schweren Arbeiterstiefeln durch den Garten stapfte. „Wie ich höre, haben Sie unseren Leuchtturmwärter zur Hebamme erkoren", sagte sie und lachte schallend.
„Tja, es blieb mir gar nichts anderes übrig", antwortete Mary und lächelte ihr Baby selig an. Heute Morgen hatte sie Davy gebadet und konnte gar nicht genug von seinem Anblick und dem süßen Babyduft bekommen.
„Nun lass dich mal anschauen." Fiona nahm das Baby in die Arme, das ein weißes Flanellhemdchen und winzige Socken trug. „Meine Güte, gibt es etwas Süßeres auf der Welt als ein neugeborenes Kind?"
Mary wurde ganz warm ums Herz, als Hestia und Fiona ihr Söhnchen herzten und küssten. Es schien Frauen angeboren sein, sich in ein Baby zu verlieben. Mary wünschte sich so sehr, dass Jesse dem kleinen Davy auch ein wenig Zuneigung entgegenbringen würde. Doch sie hatte nur Kälte in seinen Augen gesehen und seine finstere Miene, als er gesagt hatte: „Er ist nicht mein Sohn."
In ihrer Naivität hatte sie geglaubt, ihre Freude über die glückliche Geburt würde auch auf Jesse
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