Leuchtfeuer Der Liebe
mich um dich und dein Kind kümmere. Ich werde für euch sorgen. Aber erwarte nicht zu viel von mir."
„Warum nicht?"
„Weil ich dir nichts geben kann."
Statt in Tränen auszubrechen, lächelte sie wissend. „Jesse Morgan, du hast mir mein Leben wiedergegeben. Du hast mir Hoffnung, ein Heim und deinen Namen gegeben. Durch dich genieße ich den Respekt unserer Nachbarn und der Leute in der Stadt. Und jetzt hast du bei der Geburt meines Sohnes geholfen. Unseres Sohnes. Das nennst du .nichts'?"
„Es war meine Pflicht. Ich habe schließlich ein Eheversprechen abgelegt..."
„Dummes Zeug. Das alles hast du doch nicht deswegen getan. Du hast es getan, weil du wieder lieben musst ..."
„Du suchst etwas in mir, was nicht existiert, was nie existieren wird. Jetzt ruh dich aus. Ich habe zu arbeiten."
„Was ist das?" Was hast du da in der Hand? fragte Granger beim Betreten des Salons.
Annabelle fuhr erschrocken zusammen und zerknüllte das gelbliche Papier in ihrer Hand. „Granger, Lieber, du hast mich erschreckt", sagte sie errötend.
Er beugte sich über ihren Sessel vor dem Kamin, den Blick auf das Papier in ihrer Hand gerichtet. „Fairchild sagt, du hast ein Telegramm bekommen."
Konnte dieser Butler denn gar nichts für sich behalten? „Ach ja", meinte sie, als messe sie dem Umstand keine Bedeutung bei. „Nachricht von meinem Bruder, völlig überraschend."
„Von Jesse?" Granger trat vor sie hin und streckte die Hand aus. „Lass mich sehen."
Wie gerne hätte sie sich ihm widersetzt, das zerknüllte Papier ins Feuer geworfen und ihm verschwiegen, was darinstand. Doch sie gehorchte - wie immer - und reichte ihm das Telegramm, dessen Inhalt sie bereits auswendig kannte:
Verzeih mein langes Schweigen STOP Solltest du Hilfe brauchen, drahte umgehend STOP Jesse Kane Morgan STOP
Granger hob den Blick. „Wieso Hilfe brauchen? Was, zum Teufel, soll das bedeuten?"
Es bedeutete, dass Jesse Verdacht schöpfte. Irgendwie war ihm zu Ohren gekommen, was aus Annabelles Leben geworden war, und er wollte helfen.
Sie blickte ihrem Mann unverwandt in die Augen. „Ich habe nicht die geringste Ahnung, Lieber."
Granger warf das Telegramm in den Kamin. „Wirst du ihm antworten?"
„Es wäre unhöflich, es nicht zu tun."
Er trat wieder hinter ihren Stuhl, legte ihr die Hände auf die
Schultern und drückte mit kraftvollen Fingern zu - eine deutliche Geste der Warnung. „Belaste dich nicht damit, Liebes. Der Mann ist verrückt, das wissen wir seit Jahren. Ich kümmere mich um die Antwort."
Annabelle saß ganz still, wohl wissend, dass er seinen schmerzhaften Griff erst lockern würde, wenn sie zustimmte. „Ja, das halte ich für das Beste", sagte sie leise. „Danke, Lieber."
In der zweiten Nacht nach der Geburt wurde Jesse von einem durchdringenden Geheul geweckt. Er sprang aus dem Bett, fuhr in die Jeans und rannte barfuß die Stiege hinunter.
Das Kreischen glich dem einer Katze, der man auf den Schwanz getreten hatte. Fahrig zündete er eine Öllampe an und ging damit in die Kammer neben der Küche. Er hatte Mary zu verstehen gegeben, es sei für sie und das Kind auf jeden Fall besser, unten zu schlafen und nicht so kurz nach der Geburt die Treppe hochzusteigen.
Sie hatte ihm nicht widersprochen.
Jesse hob die Lampe. Mary lag auf der Seite neben dem Säugling, der strampelnd um sich schlug und mit weit aufgerissenem Mund und hochrotem Gesicht aus Leibeskräften schrie.
„Was ist los?" Jesse fuhr sich mit der Hand über die unrasierten Wangen, wie um die Benommenheit wegzuwischen, da er so jäh aus dem Schlaf gerissen worden war. Wie lange hatte er sich eigentlich nicht mehr rasiert?
„Der Kleine hat Hunger." Mary sprach laut, um das herzzerreißende Geschrei zu übertönen. Wie konnte ein so winziges Geschöpf nur so markerschütternd brüllen?
Jesse stellte die Lampe auf dem Wandbrett ab und zwang sich zur Ruhe. „Vermutlich solltest du ihn füttern."
„Ich ... ich kann nicht." Ihre Stimme klang tränenerstickt.
Jesse begriff nicht. Er hatte sich zwar jedes Mal abgewandt, wenn sie dem Kind die Brust gab, aber sie hatte es gestillt. „Du stillst ihn doch ..."
„Ich weiß nicht, was los ist", sagte sie. „Ich bin schrecklich prall, aber die Milch will nicht fließen."
„Grundgütiger." Woher sollte er wissen, was zu tun war, wenn eine Mutter ihr Neugeborenes nicht stillen konnte? Er beugte sich über das Bett und hob das strampelnde, schreiende Bündel hoch. Dabei streifte er
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