Leuchtfeuer Der Liebe
mit der er sich umgab.
Er nannte sich selbstsüchtig, hatte aber eine Fremde in seinem Haus aufgenommen. Er nannte sich einen Feigling und ritt furchtlos in die tosende Brandung, um Schiffbrüchige vor dem Ertrinken zu retten. Er nannte sich einen Einsiedler, der die Menschen scheute, aber er hatte Ollie Haglund aus der Stadt verjagt, weil er seine Frau verprügelte. Jesse Morgan war ein Mann voller Widersprüche, ein Held, der leugnete, einer zu sein, ein Mann, der behauptete, er könne nie wieder lieben, der seine zweite Frau liebte, ohne es sich und ihr einzugestehen. Nicht nur das, er begann, sich in das Kind eines anderen zu verlieben.
Mary spürte es genau, und Jesse wusste es gleichfalls. Deshalb war er in letzter Zeit so gereizt und mürrisch. Aber sie war mit ihrer Geduld am Ende.
Zu gerne hätte sie gewusst, woran er den ganzen Tag in der Scheune sägte und hämmerte, ohne zum Mittagessen heraufzukommen. Doch ihr Stolz verbot ihr, hinunterzugehen und nachzusehen.
Am späten Nachmittag, kurz vor Sonnenuntergang, badete sie Davy, der im Wasser planschte und vergnügt quietschte, als sie seinen pummeligen, kleinen Körper im Spülbecken wusch. Als Jesse das Haus betrat, wandte sie sich nicht nach ihm um. Er hatte etwas gutzumachen.
„Dein Essen steht auf dem Herd", sagte sie schroff. „Wenn ich hier fertig bin, gehe ich mit Davy gleich zu Bett."
Jesse antwortete nicht.
Sie hörte ein dumpfes Geräusch, drehte sich aber immer noch nicht um, hob Davy aus dem Becken, hüllte ihn in ein warmes Handtuch, legte ihn auf die Anrichte, puderte und wickelte ihn und zog ihm ein frisches Hemd an. Der Kleine belohnte die mütterliche Aufmerksamkeit, lächelte und krähte vergnügt strampelnd. Schließlich lag das Baby rosig und warm in ihrem
Arm. Erst dann drehte sie sich um. Jesse stand mit ernster Miene neben dem Küchentisch, auf dem ein seltsames Ding stand.
„Es ist eine Wiege", erklärte er verlegen.
„Oh ja, natürlich." Verwundert trat sie näher. Die Wiege hatte die Form eines kleinen Bootes. Die Kufen waren glatt gehobelt und mit Sandpapier geschliffen. In das Kopfteil waren geschwungene Buchstaben geschnitzt.
„Für den Kleinen", fügte Jesse unnötigerweise hinzu.
Mary schmunzelte. „Ja." Sie war beinahe außer sich vor Glück. Es war sein erstes Geschenk für Davy. Bedächtig zeichnete sie mit dem Finger die Schnitzerei nach. „Ist das sein Name?"
„Ja. David Dare Morgan."
Sein Name. Jesse hatte seinen vollständigen Namen in die Wiege geschnitzt. „Und in der Wiege soll er schlafen."
„Das hoffe ich. Ich habe mir viel Mühe damit gegeben."
„Wir machen dir große Umstände, nicht wahr?"
Er zog einen Mundwinkel hoch. „Hm."
„Ich habe dir nie versprochen, dass du es mit uns leicht haben wirst."
Er zog den anderen Mundwinkel hoch. „Ich denke, das stört mich nicht sonderlich."
„Bist du sicher, dass wir nichts falsch machen?" flüsterte Jesse, nachdem das Baby in der Wiege eingeschlafen war. Er hatte Mühe, den Aufruhr zu bezähmen, der in ihm tobte. Dabei hatte er sie noch nicht einmal angefasst. Sie standen in seinem Schlafzimmer - in ihrem gemeinsamen Schlafzimmer -, sahen einander an und fühlten sich verlegener und linkischer als beim ersten Mal.
Verdammt noch mal! Sein Verlangen nach ihr brachte ihn noch um den Verstand. „Ich meine", begann er, „kann es dir wehtun, wenn ..."
„Was wehtut, ist das Warten." Sie nahm seine Hand und führte sie an ihren flachen Bauch.
Hitze durchflutete ihn. Dies war die erste zärtliche Berührung seit ihrer Entbindung. Sie war so schmal geworden. Er legte beide Hände um ihre Mitte, ließ sie nach oben gleiten und wölbte sie um ihre Brüste.
Einen nach dem anderen öffnete er die winzigen Perlmuttknöpfe ihres Kleides, das dünne Unterhemd teilte sich wie ein Schleier und gab die hellen Rundungen ihrer Brüste frei. Jesse zog bei dem sinnlichen Anblick die Luft scharf durch die Zähne und kniff die Augen zusammen, um sich zu bezähmen und sie nicht auf der Stelle zu nehmen.
Als er die Augen wieder öffnete, sah er zu seiner Verblüffung, dass Mary weinte. Dicke Tränen rollten ihr über die Wangen. Ein weinender Engel.
„Was ist los?" fragte er mit belegter Stimme. „Habe ich dir weh..."
„Nein." Sie hielt sich mit zittrigen Fingern das Hemd wieder zusammen, während ihr die Tränen unaufhaltsam übers Gesicht liefen. „Aber ich fühle mich so unförmig und schmutzig. Ich wäre so gerne unbefleckt für dich, wie eine
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