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Leuchtfeuer Der Liebe

Leuchtfeuer Der Liebe

Titel: Leuchtfeuer Der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
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würde das Haus freundlicher aussehen lassen.
    Sie trat ein, hielt sich an einer Stuhllehne fest und wartete ab, bis ihre Augen sich an das Halbdunkel gewöhnt hatten. Überall standen Bücher in Regalen, lagen stapelweise auf Tischen. Das Haus war peinlich sauber, sogar das Brennholz war wie mit dem Lineal gezogen, sorgsam aufgestapelt. Kochgeschirr und Vorräte auf den Wandbrettern in Küche und Vorratskammer waren der Größe nach aufgereiht wie Zinnsoldaten.
    Mama hätte das gefallen, dachte sie, und ihr wurde warm ums Herz. Ihre Mutter war immer so stolz auf ihre blitzblanke Küche gewesen.
    Die wehmütigen Erinnerungen wurden durch ein anderes, unbezähmbares Gefühl verdrängt. Sie war am Verhungern. Auf der Anrichte stand ein Krug frischer Milch, von der die Sahne noch nicht abgeschöpft war. Sie trank gierig, um ihren Durst zu stillen, hielt den Krug unbeholfen mit schwachen Händen und verschüttete Milch auf dem Fußboden. Dann verschlang sie gierig alles Essbare, was sie finden konnte - harte Kekse aus einer Blechdose, ein Glas Apfelmus, bei dessen Anblick ihr das Wasser im Munde zusammenlief.
    „Geht es dir besser, Kleines?" Sie streichelte ihren Bauch, und zum ersten Mal, seit sie an Land gespült worden war, lächelte sie. Es war wohltuend, wieder lächeln zu können.
    Sie wischte sich die Krumen von dem hübschen Nachthemd und ging wieder in die Schlafkammer neben der Küche. Sonnenstrahlen fielen durch die Fensterscheiben und malten goldene Lichtkringel auf die Bodendielen. Vielleicht war nicht nur der Wald verzaubert. Der ganze Ort, das Haus, dieser zerklüftete Landvorsprung - die ganze grüne Landschaft wirkte irgendwie verzaubert.
    Und sie hatte beinahe aufgehört, an Wunder zu glauben.
    Wie dumm von ihr. Mama hatte immer gesagt, in der bittersten Not geschieht immer ein Wunder. Und so war es auch gekommen. In ihrer bittersten Not hatte ihr nur ein Wunder helfen können. Und plötzlich fand sie sich an diesem fremden Ort am Ende der Welt wieder mit dem unerklärlichen Gefühl, geborgen zu sein. Obwohl sie nur mit knapper Not dem Tod entronnen war, nichts besaß, nur das Baby in ihrem Leib, keimte Hoffnung in ihr auf.
    Sie strich mit der Hand über den Quilt auf dem Bett. Eine hübsche Handarbeit, die eine Nixe darstellte, die azurblauen Wellen entstieg. Nun, da sie sich gestärkt fühlte, verspürte sie den Wunsch, das Haus zu erkunden, um sich zu vergewissern, ob sie und ihr Baby wirklich in Sicherheit waren. Aber sie konnte schlecht in einem Flanellnachthemd durch die Gegend spazieren. Vielleicht gab es irgendwo einen Morgenmantel, in den sie schlüpfen konnte.
    Im hohen Schrank fand sie einige Stoffe, Leinen und gemusterte Baumwolle. Einige waren zugeschnitten, aber nicht genäht, als sei die Schneiderin vor langer Zeit in ihrer Arbeit unterbrochen worden. Unter den Stoffen fand sie einen Stapel Unaussprechlicher - wie ihre Mutter sie genannt hatte sorgsam gefaltet und leicht angestaubt, die lange nicht benutzt worden waren. Sie zog ein Paar Pumphosen hervor aus feinstem Schweizer Batist, die mehr kosteten, als ihr Vater für den Heringsfang eines ganzen Monats eingenommen hätte.
    Dann wühlte sie tiefer in dem Schrank, fand ganz hinten ein Kleid an einem Haken und stieß einen tiefen, befreienden Seufzer aus. Ein schönes Kleid aus grün und gelb gemustertem Musselin mit Keulenärmeln, an den Schultern angereiht, die an den Ellbogen bis zu den Manschetten schmal verliefen. Hinter dem Kleid hing ein langes weißes Unterhemd. Ebenfalls aus weißem Schweizer Batist.
    War er verheiratet? Wem gehörten diese Kleider?
    Keine neuen Kleider, und nach allem, was sie in San Francisco gesehen hatte, waren sie aus der Mode. Man trug keine weiten Röcke mehr. Dem Stoff entströmte ein Hauch von Lavendelduft, als sie hineinschlüpfte. Sie fühlte sich wohler in einem richtigen Kleid. Die Schulter schmerzte beim Versuch, die Knöpfe im Rücken zu schließen, also band sie den Gürtel um ihre Mitte zu einer lockeren Schleife. Von ihrer Taille war ohnehin nichts mehr zu sehen, aber das Kleid, unter dem wohl eine Krinoline getragen wurde, passte gerade noch um ihren Leib.
    Sie fuhr sich zerstreut durchs zerzauste Haar und machte sich auf die Suche nach einer Bürste, die sie in einem anderen Teil des Hauses fand, in einem winzigen Ankleideraum neben dem Schlafzimmer des Hausherrn im oberen Stock. Der Duft nach Rasierseife hing in der Luft. Sie spähte ins Schlafzimmer auf die grob geschnitzte Bettstatt, auf

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