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Leute, das Leben ist wild

Titel: Leute, das Leben ist wild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Hennig Lange
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geworden, weil Cotschs Wut so anstrengend für Mama war. Und jetzt, durchs Yoga, hat unsere Mutter ihren Fehler erkannt und schmeißt mich raus - und rein in eine WG. Mama liebt die brachiale Tour, so viel ist klar.
    »Hi, Alina!« Cotsch nickt Alina zu und macht keine Anstalten, ihre Bluse, die eh schon ordentlich eng ist, irgendwie notdürftig zu schließen. Stattdessen grabscht sie nach meinem Arm und zieht mich hinter sich her, quer unter den tief hängenden Ästen der Akazie hindurch, an den Tränenden Herzen vorbei. Hinter den Büschen und hochgeschossenen Elefantengräsern leuchtet der pinkfarbene Rockstar-Baby-Kinderwagen von Mimi.
    »Was ist denn?« Ich finde, meine Schwester sollte mir erst mal ordentlich zum Geburtstag gratulieren, anstatt hier so eine Thermik zu verbreiten und mich hinter sich her durch die Vegetation zu schleifen.
    »Was wohl? Papa ist abgehauen.« Die gebräunte Hand meiner Schwester klammert sich um mein Handgelenk. So hat sie mich früher schon in der Grundschule hinter sich hergezogen, immer dann, wenn Celine mir wieder eins auf die Klappe hauen wollte. Bei der Gelegenheit hat meine Schwester sofort ihr wütendes, warnendes Rächergesicht aufgesetzt und behütend nach meinem Arm gegrabscht, um zu zeigen, dass ich unter ihrem persönlichen Schutz stehe. Scheinbar stehe ich nun auch wieder unter ihrem
persönlichen Schutz, ich verstehe allerdings noch nicht wirklich, was sie damit meint, dass Papa abgehauen ist.
    »Ins Büro?«
    »Schön wär’s.«
    »Wohin dann?«
    Ohne zu antworten, steigt Cotsch über die Türschwelle ins Wohnzimmer, wo Helmuth, ihr zukünftiger, 50-jähriger Ehemann, mit triefigem Blick und hängenden Schultern hilflos herumsteht. Wie immer steckt er in seinem Tennisdress: weiße Shorts, weißes Polohemd, weiße Socken und weiße Schweißbänder an den muskulösen Unterarmen und auf dem Kopf. Mama hockt in ihrem mintfarbenden Yoga-Outfit zusammengekrümmt auf dem Ledersessel. Dabei klammert sie sich an die kleine Mimi, die uns mit großen blauen Augen, überwölbt von ewig langen gebogenen Wimpern, staunend entgegensieht.
    Ich stolpere hinter meiner Schwester her. »Hallo! Wohin ist Papa abgehauen?«
    Mir ist plötzlich ganz kalt, im Herz, im Bauch, in den Armen und den Gehirnlappen; jedenfalls fühlt es sich so an. Irgendwas stimmt hier gerade gar nicht. Es ist, als würde die Zeit stillstehen, als würde alles stillstehen, als würde sich über uns so eine lähmende Ohnmacht legen.
    Alina folgt uns bis zur Türschwelle. Da hält sie an, weil ihr Handy schon wieder volle Lautstärke Bird’s Nest spielt. Kurz will sie es im Reflex erneut gegen die Akazie schleudern. Dann überlegt sie es sich aber, schaltet es aus und seufzt. »Idiot!«
    Wir haben es gerade alle nicht leicht. Mama blickt zu mir rüber und ihre Augen sind rot verheult, aber um ihren Mund hat sie einen mir bis jetzt vollkommen unbekannten
Zug, so eine Mischung aus Erleichterung und Verstörung. Sehr interessant.
    »Sie ist da.« Meine Schwester geht auf meine Mutter zu und versucht, ihr Mimi aus dem Arm zu nehmen. Ich halte das auch für besser, unsere Mutter scheint sie ziemlich zu quetschen. Fast befürchte ich, Mimis Augen quellen schon etwas hervor. Kennt ihr diese Gummi-Tieranhänger, die es im Zoo-Shop zu kaufen gibt? Squeezies heißen die, glaube ich. Die quetscht man volle Pulle in der Hand zusammen und dann quellen denen solche gelgefüllten Glubschaugen aus dem Kopf. Total niedlich. Gerade erinnert mich Mimi an so ein kräftig gequetschtes Squeezy. Meine Mutter gibt sie widerstrebend an Cotsch ab und Helmuth nickt nervös mit seinem dicken Schädel herum und reicht mir seine starke Pranke. »Meine Lütte, gut, dass du da bist. Gut, gut, gut. Gratuliere. Gratuliere dir recht herzlich zum Geburtstag. Ja, das ist wohl heute ein denkwürdiger Tag. Setz dich mal besser, meine Lütte.«
    Und immer, wenn mich Helmuth »meine Lütte« nennt, weiß ich, es liegt was Bedrohliches in der Luft. Zur Sicherheit hocke ich mich also auf die Sofalehne, auf die wir uns eigentlich nicht setzen dürfen, weil das Sofa Papas ganzer Stolz ist, genau wie seine anderen Möbel und die Pflanzen. Ich gucke von Cotsch zu meiner verheulten Mutter und zu Alina, die in der offenen Terrassentür steht und angespannt in die drückende Hitze hinausraucht.
    Meine Schwester blickt streng, ihre Lippen sind ganz schmal, so als hätten wir alle was verbrochen. Sie erklärt: »Okay, Lelle. Ich weiß, es ist hart. Ich weiß, du

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