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Leute, das Leben ist wild

Titel: Leute, das Leben ist wild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Hennig Lange
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Ich checke gar nichts. Ich weiß nicht, was das im Klartext bedeutet, dass Papa jetzt bei einer anderen Frau wohnt. Sehen wir ihn jetzt nie wieder oder was? Keine Ahnung. Hauptsache, Mama dreht nicht durch.
    Alina zündet sich ebenfalls eine weitere Zigarette an, meine Schwester lässt sich nun auch eine von Alina geben und gesellt sich dazu. »Mama, du hast echt was Besseres verdient.«
    Mama ascht in einen der Blumenkübel: »Da hast du so
was von recht. Jetzt ist Schluss mit Unterwerfung. Jetzt beginnt mein Leben.«
    Cotsch gibt Mama einen Kuss auf die Wange und meint zufrieden: »Ich hab’s dir immer gesagt: Papa ist nicht gut für dich.«
    Leute, das stimmt. Es gibt keine größere Vater-Gegnerin als meine Schwester, was daran liegt, dass die beiden sich so ähnlich sind. Jetzt sind nur noch Helmuth, Mimi und ich übrig und scheinbar die Einzigen, die konzentriert versuchen herauszufinden, was das gerade Geschehene irgendwie für den restlichen Tages- und Lebensablauf bedeuten könnte.
    Cotsch ascht nun auch in Papas Beete und redet sich langsam aber sicher in Rage: »Ich fasse es echt nicht! Was für ein Chauvinist! Was für ein unglaublicher Chauvinist! Helmuth, dass dir ja nie einfällt, so eine Nummer mit mir abzuziehen!«
    Helmuth schüttelt empört den Kopf. »Niemals, meine Schöne!«
    Ich für meinen Teil würde gerne einfach nur wissen, ob Papa uns schon vergessen hat und wie lange und akribisch er diese Flucht im Vorfeld geplant hat? Warum musste er ausgerechnet an meinem Geburtstag gehen? Bin ich ihm so egal? Alles sehr seltsam. Darum frage ich: »Hat Papa eigentlich irgendwelche Sachen mitgenommen?«
    Mama gibt so ein verächtliches Grunzen von sich und drückt ihre Zigarettenkippe mit einem herumstehenden Topfuntersetzer aus. »Na ja, was denkst du denn? Seine ganzen Klamotten, seine Aktentasche und sein Schuhputzzeug. Und er meint, dass er seine Skulpturen Anfang nächster Woche von einem Umzugsunternehmen abholen lässt. Und die Möbel.«

    »Die Möbel?«
    »Kann er gerne machen. Ich will diese komischen Teile, die nicht berührt werden dürfen, sowieso nicht länger hier rumstehen haben. Die verpesten die Atmosphäre.«
    Ja, klar. Die Möbel verpesten die Atmosphäre. Mein lieber Schwan! »Aber dann haben wir doch keine Möbel mehr.«
    »Na und?«
    Na und? Sollen wir in Zukunft auf dem Boden essen? Na ja, ist ja nicht mein Problem, denn ich wohne ja jetzt bald in einer süßen WG mit kleinem Balkon zum Bepflanzen. Ganz ehrlich: Ich hätte lieber noch drei Stunden Mathe bei dem langweiligen Herrn Herzog, als dieser merkwürdigen Geschichte beizuwohnen. Wobei: Das ist gelogen. Ich finde das hier doch besser. Das ist schon wieder volle Breitseite Leben, und ich stehe unter so einer Art Glasglocke und sehe zu, was meine Familie wieder verzapft. Solche Geschichten eignen sich hervorragend, um einem Mädchen den Hauch des Abgründigen zu verleihen. Ich sage euch: Darauf fahren die Jungs voll ab. Da hat man was zu erzählen. Die Anekdote meines Lebens: An meinem 17. Geburtstag ist mein Vater abgehauen und danach hatten wir keine Möbel mehr. Hat jemand eine bessere Geschichte anzubieten? Wer bereits in der Jugend durch ein Becken voll Scheiße geschwommen ist, hat später gute Karten. Den kann nichts mehr schocken. Der ist hart im Nehmen und heult nicht blöd rum. Ich kenne mich aus! Seht Arthur an. Als Jugendlicher hat er seine Eltern verloren, jetzt rettet er die Welt. Was will man mehr? Da kann nicht mal ich mithalten. Aber ich bin auf dem besten Wege, wie man sieht.
    Ich schiele rüber zu Alina und gebe ihr so ein unauffälliges
Zeichen, dass ich im Begriff bin, in mein Zimmer abzuwandern. Ich brauch mal kurz eine Pause. Gerade, als ich loswill und Alina hinter mir herschlurft, klingelt es vorne an der Haustür. Wir zucken alle schweinemäßig zusammen, Mimi fängt an zu weinen, der Rest von uns hält die Luft an. Besonders Alina. Sie presst hervor: »Ich kotze! Das ist Albert.«
    Und dann, Leute, ich schwöre es, verkriecht sie sich unter dem Wohnzimmertisch und kauert sich da unten zusammen. Fragt mich nicht, was das soll. Denn: Sie ist immer noch wunderbar zu sehen.
    Mama krallt ihre Hand um meinen Oberarm und quiekt: »Ist das euer Vater? Meint ihr, das ist er? Er soll nicht sehen, dass ich geheult habe. Schickt ihn weg, sagt ihm, dass ich bei einem Rendezvous bin.«
    Mich wundert, dass sie sich nicht gleich noch zu Alina unter den Tisch gesellt. Und was bitte soll diese Sache mit dem Date?

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