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Leute, das Leben ist wild

Titel: Leute, das Leben ist wild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Hennig Lange
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gestörte Existenzen abfährt? Um von dieser zwanghaften und unguten Freundschaft wegzukommen, muss sie noch einige Hundert Selbstfindungs-Seminare absolvieren. Das kann ich ihr schriftlich geben.
    Genau wie Papa steht Rita allerdings null auf spirituelle Botschaften, deswegen versucht Mama ihre neue Leidenschaft auch vor ihr zu verheimlichen. Sie will verhindern, dass Rita sich lustig über sie macht. Ich halte das ja für keine gute Taktik, anderen eine Rolle vorzuspielen, damit die bleiben. Was ist das dann bitte für eine Beziehung? Eine zwischen Leuten, die so tun, als seien sie komplett anders, als sie eigentlich sind. Der Hammer! Allerdings gibt es in puncto Yoga gerade nichts mehr zu verbergen, da meine Mutter bereits in ihrem Yogaoutfit steckt, auf dem fett die Botschaft »Spirit-Yoga« prangt. Als Mama das realisiert, verschränkt sie schnell die Arme vor der Brust und versucht ein albernes Ablenkungsmanöver: »Lelle! Du hast einen kleinen Flügel bekommen!«
    Und ich steige voll darauf ein, um von der Partythematik wegzukommen. »Ja, super! Vielen Dank! Ich freue mich total!«
    Ich klappe das Teil auf und die flotte Klaviermusik ertönt. Aber Rita lässt sich nicht reinlegen. Abwartend und mit hochgezogenen Augenbrauen sieht sie mich an. »Susanna und Alice sind ziemlich enttäuscht von dir, Lelle. Das will ich dir nur mal sagen.«

    Ich klappe den Merchandising-Flügel wieder zu und lüge: »Hä? Ich hab die beiden doch eingeladen. Ich hab Alice gestern noch eine SMS geschickt, dass sie unbedingt mit Susanna vorbeikommen soll. Oh Mann, ist die nicht angekommen?«
    Rita guckt mich durchdringend an, als wolle sie mein Gehirn abscannen. »Nein, ist sie nicht. Wann hast du sie denn geschickt?«
    »Gleich nach der Schule. So gegen 14.30 Uhr.«
    Rita durchbohrt mich weiter mit ihrem Blick, doch weil ich mein legendäres Pokerface aufgesetzt habe, schafft sie es nicht, mich zu entlarven. Die spinnt ja wohl, mir an meinem Geburtstag zu stecken, dass ihre Töchter »enttäuscht von mir sind«. Ich glaube, es geht los, wie mein Mathelehrer Herr Herzog gerne sagt, wenn einer von uns Schülern frech wird. In meinem Leben gibt es noch ein paar andere Probleme! Ich gucke durchdringend zurück, sodass sich Rita schließlich zu Helmuth umwendet und ihm, ohne zu fragen, Mimi abnimmt. Dabei scannt sie Helmuth von oben bis unten ab und meint mit süffisantem Unterton: »Und, Helmuth, ist es sehr anstrengend mit der Kleinen? Du bist ja auch nicht mehr der Jüngste.«
    »Doch, doch, doch. Das geht schon gut.« Helmuth zieht die Luft durch die Zähne ein und gleichzeitig seine weißen Tennisshorts am Hosenbund hoch, wobei er seinen Bauch einziehen muss. Der arme Helmuth, allein unter Frauen. Angespannt lächelnd reibt er seine Handflächen aneinander und nickt vor sich hin. Das macht er immer, wenn er weiß, dass er eigentlich was zur Rettung aller anderen unternehmen müsste, aber null Ahnung hat, wie er es anstellen soll.

    Und genau dieses Verhalten treibt meine Schwester auf die Barrikaden. Ihre Augen funkeln bedrohlich. Sie flüstert: »Helmuth! Tu was!«
    Vor allen Dingen kann Cotsch es so was von überhaupt nicht leiden, wenn die nach schwerem Parfüm duftende Rita ihr »süßes Engelchen« auf dem Arm hat. Also entreißt sie ihr Mimi kurzerhand und sagt mit scharfem Unterton: »So, nun muss mein kleiner Engel mal ein bisschen schlafen.«
    Rita nutzt die Gunst der Stunde und schnüffelt an meiner Schwester herum. Anschließend fragt sie total scheinheilig, mit Seitenblick zu Mama: »Habt ihr etwa geraucht?«
    Gleich schüttelt Mama hektisch den Kopf und wird rot. »Nein, wie kommst du denn darauf?«
    So, als sei Rita ihre Erziehungsberechtigte. Echt krass. Mama hat so eine Panik davor, in Ritas Ansehen zu sinken. Und kein Mensch weiß warum! Gleich gerät sie wieder in ihre alten Muster von Abhängigkeit und Unterwerfung. Das ist wirklich erstaunlich. Tiefer als Rita kann man nämlich gar nicht sinken - da könnte meine Mutter eigentlich getrost cool bleiben. Cotsch reagiert gar nicht erst auf diese Rauch-Konversation, sondern trägt Mimi einfach nach draußen in den flatternden Garten. Sie legt sie zärtlich in den pinkfarbenen Rockstar-Baby-Wagen und deckt das Moskitonetz sorgfältig darüber. Meine Schwester ist echt eine tolle Mutter, das hätte ich nie gedacht. Sie hat Mimis Erziehung so was von im Griff, obwohl sie ja noch als Fotomodel arbeitet, ein Praktikum bei einem Strafverteidiger absolviert und Wirtschaft

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