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Leute, die Liebe schockt

Titel: Leute, die Liebe schockt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Hennig Lange
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keinem Schluss gekommen, weil ich definitiv nie eine Waffe dabeihaben würde, ich hätte viel zu große Sorge, dass ich mir selbst in den Fuß schieße.
    Dann durften Alina und ich endlich ins Trockene. Da waren wir schon ordentlich am Klappern und Alinas
Haare hingen auf halb acht. Alina hat mich durch die Vorhalle gezogen, vorbei an all den Buden mit Getränken und Hot Dogs, quer durch die Masse der Mädchen mit leuchtenden Augen und Pappschildern. Sie hingen in Trauben vor den Buden herum und haben sich gegenseitig umarmt und gestützt und sich ihre Regenjacken um die Hüften gebunden. Ich frage mich, warum die - im Gegensatz zu uns - wussten, dass es ein Gewitter geben würde? Die waren adäquat vorbereitet. Alle, wirklich alle hatten Regenjacken dabei. Ich meine, checken alle anderen Teenager außer Alina und mir den Wetterbericht im Internet, bevor sie vor die Tür gehen?
    Ich bin hinter Alina hergerannt, sie hat die WC-Tür für Damen aufgestoßen und ist direkt auf dieses Gebläse für die Hände zugesteuert. Da stand noch ein Mädchen und hat ihre nassen Finger druntergehalten. Alina hat sie mit dem Ellenbogen zur Seite gedrängt und trocken gemeint: »Darf ich mal?!«
    Und schon hat sie ihren Kopf nach vorne geworfen, mit der flachen Hand auf den roten Knopf gehauen und das Gebläse ging los. Sie hat ihren Kopf hin und her gedreht, um von allen Seiten gleichmäßig den Trockenvorgang voranzutreiben. Das Mädchen hat sich verschüchtert zurückgezogen, und ich habe ihr ein unmissverständliches Zeichen gegeben, dass es mir leidtat, wie Alina sich verhalten hatte. Um ehrlich zu sein, habe ich meinen Zeigefinger ein paar Mal neben meiner Schläfe im Kreis gedreht. Das ist das internationale Zeichen für Totalgestörte.
    Es kamen noch mehr Mädchen rein, um noch schnell aufs Klo zu gehen, bevor das Konzert losging. Alle haben
komisch zu Alina hingeguckt, die mit ihren Haaren beschäftigt war, und gekichert und sich gegenseitig das internationale Zeichen für Totalgestörte gezeigt.
    Tja, Leute und hier stehen wir nun, Alina und ich. In der Masse kreischender Mädchen. Hinter mir zappelt ein besonders nerviges, das mir die ganze Zeit in meine Haare klatscht und in den Rücken springt. Kann die nicht einen gewissen Abstand halten? Die flippt ja vollkommen aus. Wenn die so weitermacht, gehört sie gleich zu denen, die hier von den Sanitätern mit den Füßen voran rausgetragen werden. Ist mir auch ein Rätsel, warum diese Mädchen alle aus den Latschen kippen. Wie die Fliegen. Offenbar haben die Kreislaufprobleme. Dauernd verliert hier eins von den Mädchen das Bewusstsein und muss von den Bodyguards entsorgt werden. Ich meine, es ist ja bekannt, dass auch ich dazu neige, aus den Latschen zu kippen, weil auch mein Kreislauf nicht der beste ist, aber im Moment fühle ich mich ziemlich standfest.
    Ich ständere neben Alina herum, die jetzt dazu übergegangen ist, die Texte lautstark mitzusingen. Immer noch hat sie die Hände in den Hosentaschen, ihre Augen sind weit aufgerissen und die Haare wippen leicht. Die ist vollkommen weggetreten. Die schwebt in einer Blase aus unerwiderter Liebe. Das stelle ich mir richtig scheiße vor. Auf ihrem T-Shirt steht in Glitzerschrift »Dark is the Day« und das scheint Alinas Lebensmotto zu sein. Wenn ihr mich fragt: Bevor ich mich in jemanden verliebe, an den ich nie rankomme, verliebe ich mich lieber in einen meiner Lehrer; ist mir alles schon passiert. Und das soll schon was heißen. Ich meine, meine Lehrer sind schon halb tot. Aber wenigstens nicht unantastbar.

    Ich neige nicht zum Fan-Tum. Ich hänge mir auch keine Poster von irgendwelchen Prominenten ins Zimmer. Wenn man so will, bin ich mein eigener Fan. Unter uns, ich finde mich durchaus klasse. Habe ich schon gesagt, dass ich schöpferisch begabt bin? Ich habe vor, Künstlerin zu werden, eine ziemlich berühmte. Früher wollte ich Bildhauerin werden, aber jetzt denke ich, dass ich eher in die Malerei gehen werde. Oder sogar in die Fotografie. Irgendwas Zeitgemäßes. Meinetwegen auch Video. Papa, der sich ziemlich für Kunst interessiert, will mir eine große Leinwand besorgen und Farbe. Gerade fällt mir ein, ich hätte lieber eine Digitalkamera. Ich glaube, ich filme mit meinem Handy jetzt mal das Geschehen auf der Bühne. Daraus könnte ich eine tolle Videoinstallation machen, irgendwas Dekonstruiertes. Ich könnte mir einen Schnittplatz im Keller einrichten. Mit Monitor und so. Papa hat in seiner Steuerkanzlei

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