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Leute, die Liebe schockt

Titel: Leute, die Liebe schockt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Hennig Lange
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verbrennt?«
    Das tut gut, wobei das kühle Gel nicht wirklich die Schmerzen lindert, jedenfalls nicht länger als für einen kurzen, erquicklichen Moment. Ich beiße die Zähne fest zusammen, weil ich heute bei den Jungs vom Kampf-Club gelernt habe, dass Schmerzen reine Einstellungssache sind. Man muss sich nur genügend konzentrieren, dann merkt man den Schmerz gar nicht. Also konzentriere ich mich auf Alina, die sich auch noch mit im Badezimmer befindet und sich mithilfe des Glätteisens vor dem Spiegel die Haare nach oben und in alle Richtungen stylt. Inzwischen sind auch die weißen Blüten aus ihrer Frisur verschwunden. Schade.
    Mama und ich ziehen innerlich die Augenbrauen hoch, und Mama flüstert: »Mein armes Kind.« Wobei ich
glaube, dass sie nicht mich, sondern Alina damit meint. Mama schraubt die Salbentube zu und richtet sich auf. »So, ich hoffe, das hilft. Sonst müssen wir doch noch mal in die Notaufnahme.«
    Ich schüttele den Kopf. »Bitte nicht. Letztes Mal haben wir geschlagene drei Stunden gewartet, bis ich drankam.«
    Ihr erinnert euch, das war die Sache mit dem Teppich im Fuß. Und während dieser drei Stunden kamen Fälle reingerollt, deren Anblick ich mir gerne erspart hätte. Ein Mann hatte zum Beispiel bei der fleißigen Gartenarbeit dummerweise in den Häcksler gefasst und, na ja, viel war von seiner Hand nicht mehr übrig. Dann war da noch eine Mutter, die irgendwie ziemlich erschlagen aussah, mit zwei kleinen Kindern, einem Jungen und einem Mädchen. Das Mädchen war offenbar von ihrem Kaninchen gebissen worden. Direkt in die Pulsader. Es war grün im Gesicht und hat gewimmert. Tztztz. Sachen gibt’s. Wie auch immer.
    Ich stehe vom Badewannenrand auf und klopfe meiner müden Mama auf die Schulter. »Danke, Mamchen. Das wird schon. Ich spür’s. Ich konzentriere mich jetzt einfach vom Schmerz weg.«
    Mama guckt mich mit zusammengepressten Lippen an. Dazu weiß sie wohl nichts zu sagen. Offenbar kennt sie sich nicht mit den meditativen Regeln des Kampfsportes aus. Wie auch? Das ist nur was für Eingeweihte. Ich lächle also lieb, und dann quetschen wir uns schnell an Alina vorbei in den Flur, weil sie gerade beginnt, ziemlich heftig mit Haarspray rumzumachen. Mann, ich glaube, die hat echt noch nie etwas von Umweltschutz oder so
gehört. Was die da täglich in die Luft pustet, kommt ja einer Eins-a-Chemiefabrik gleich.
    Mama und ich gehen die Treppe runter. Unten im Flur biegen wir ab in mein Zimmer, da setzen wir uns auf den Bettrand und Mama holt tief Luft. Ich weiß, irgendwas bedrückt sie. Ich gucke rüber zu meinem Schreibtisch, wo ein Foto von meiner Schwester und mir steht, das ist schon mindestens zehn Jahre alt. Das hat Papa damals von uns in Dänemark gemacht. Mit riesigen Reiterhelmen sitzen wir auf zwei schnuckeligen Ponys und haben Zahnlücken. Aber wir gucken voll glücklich in die Kamera und halten die Zügel straff.
    Ja, so sollte man leben. Die Zügel nie locker lassen, immer schön straff halten, damit die Pferde nicht mit einem durchgehen. Die Frage ist nur: Für was stehen die durchgehenden Pferde in der Realität? Cotschs Schwangerschaft? Meine geheime Amour mit Johannes? Mein Sonnenbrand? Das Leben an sich? Aber ist das Leben nicht zum Leben da? Gerade gestern hat Mama von Rita so ein Heftchen geschenkt bekommen, auf dem steht: Das Leben ist zum Leben da. Darin finden sich zum Beispiel Zitate von Boris Becker und anderen Top-Leuten. Ja, zum Sinn und Zweck des Lebens. Von wegen: »Das Leben ist keine Generalprobe.«
    Mama atmet noch einmal tief ein und aus und, Leute, ich denke, das Wichtigste ist, nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren, egal was für ein irres Zeug man veranstaltet. Man muss die Verantwortung dafür übernehmen können. Sonst geht es mit einem ganz schnell den Bach runter. Das mit der Verantwortung ist nur nicht so leicht, weil das Leben ja eine Masse von uneinschätzbaren
und unerwarteten Herausforderungen zu bieten hat. Darum steht in diesem besagten Büchlein auch folgender Satz: »Leben ist das, was passiert, während du dabei bist, andere Pläne zu schmieden.« Cool, was? Leben bedeutet Entwicklung. Und Entwicklung bedeutet, es entsteht immer wieder etwas Neues, Spannendes, dem man mit Ruhe begegnen muss. Ich bin dabei, ebendas zu lernen.
    Mama räuspert sich, und da tue ich ihr endlich den Gefallen und frage: »Was geht?«
    Mama antwortet sofort. »Meinst du, es wäre vielleicht sinnvoller, wenn Constanze wieder zu uns

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