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Leute, die Liebe schockt

Titel: Leute, die Liebe schockt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Hennig Lange
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bestimmt noch ein, zwei alte Rechner.
    Leute, das ist es: Videokunst! Meine Mutter kann ja auch ziemlich gut zeichnen. Ich habe wohl das künstlerische Talent von ihr. Cotsch würde auch gern Künstlerin werden, aber sie spielt nur Geige. Beziehungsweise: Sie hat Geige gespielt, aber dann hat sie vor Wut beim Üben die Geige gegen den Türrahmen gehauen, und seitdem ist Schicht im Schacht. Das teure Ding ist total zerbröckelt. Mama hat deswegen einen Nervenzusammenbruch bekommen. Die war zwei Tage nicht mehr ansprechbar. Einmal mehr dachte sie, sie hätte was bei der Erziehung meiner Schwester falsch gemacht. Ich persönlich glaube das ja nicht, auch wenn Mama nie wirklich streng war. Papa meint, Mama hätte uns mehr Grenzen
aufzeigen sollen. In dem speziellen Fall mit der Geige hätte das aber auch nichts gebracht, weil Cotsch einfach nur nicht damit klarkommt, dass die Weidemann-Töchter musikalischer sind, als sie es ist. Von Alice wird das musikalische Feld ja so was von herausragend beackert, und auch Susanna spielt bemerkenswert gut Querflöte - aber nur zum Spaß, wie sie meint. Ihre Mutter Rita gibt ja gerne mal Hauskonzerte für die Nachbarschaft, bei denen sie ordentlich abschöpft. Sie nimmt Eintritt und verkauft selbst gebrannte CDs und Fotos vom Abend als Autogrammkarten. Echt voll geschäftsmännisch. Und weil die Leute aus der Siedlung alle Sorge haben, dass die Nachbarschaftlichkeit leiden könnte, wenn sie Rita nicht ihr ganzes Merchandising-Paket abnehmen, kaufen sie fleißig, nur um ihre Ruhe zu haben. Ich schätze, all unsere Nachbarn haben einen eigenen Kellerraum nur für die musischen Merchandisingprodukte von Alice. Den Schrott will doch kein Mensch im Wohnzimmer haben.
    Jetzt glittern so komische Silberplättchen von der Hallendecke auf uns herunter, und der Bruder von Bill, der mit den Dreadlocks und den drei Baseballkappen übereinander, kommt an den Bühnenrand und spielt ein Eins-a-Gitarrensolo. Dieser Tom soll ja neulich ein Mädchen an der Tankstelle verprügelt haben, weil sie ein Foto von ihm machen wollte. Echt krass. Jungs, die Mädchen schlagen! Auf der anderen Seite kennen manche Mädchen auch kein Erbarmen, die verstehen nicht, wenn man als Mann »Nein« sagt. Die ignorieren das einfach. In meiner Hosentasche vibriert mein Handy. Ich ziehe es raus, und da ist eine SMS von Johannes: »Stehe drau ßen« … Hä? Meint der mich damit? Scheint so, schließlich
ging die SMS eindeutig an mich. Puh! Leute, mein Herz glüht. Mit allem habe ich gerechnet, aber nicht damit, dass Johannes hierherkommt, um mich zu sehen. Heavy! Was mache ich denn? Ich ticke Alina an. Sie rührt sich nicht. Ich tippe sie doller an: Endlich guckt sie mich mit kreiselnden Pupillen an.
    Ich schreie: »Ich gehe mal kurz raus.«
    Ohne zu reagieren, dreht sie sich wieder weg und singt weiter.
    Um unsere Hälse hängen die durchsichtigen Hüllen mit den seltenen und begehrten Backstageausweisen. Ich zeige darauf und rufe: »Wir sehen uns später.«
    Ich bin mir nicht sicher, ob Alina das jetzt gehört hat. Ist aber auch egal. Ich bin unabhängig und frei und wir haben beide Handys in den Taschen. Ich dränge mich durch die kreischenden Mädchen, stehe vollkommen unter Strom, drifte immer weiter, wie so ein Roboter, in Richtung Ausgang. Ich habe eine Mission zu erfüllen. Ich will zu Johannes. Mein Herz klopft, plötzlich sehe ich all diese Mädchen nicht mehr richtig, beinahe ist es, als müsste ich mich durch einen Urwald kämpfen. Überall stehen Hindernisse und Blockaden, und ich muss sie zur Seite schieben, vorbeidrängen, immer weiter, Richtung Ausgang, dort, wo das grüne Schild leuchtet. Immer schneller. Ich stolpere, fange mich wieder, stütze mich an nackten Armen ab, weiter. Da - endlich - ist der Ausgang. Ich taumele raus.
    Der Gang rund um die Halle ist leer, nur die Buden sind hell erleuchtet. Weiter hinten fegt jemand die Plastikbecher zusammen, die auf dem Boden liegen. Ich sehe mich um, kneife die Augen zusammen. Wieder vibriert
mein Handy in der Hand. Ich klappe es auf. Wieder Johannes: »Wo bist du?« Mit zitterndem Finger tippe ich zurück. »Wo bist du?« Und gerade als ich die SMS abschicke, kommt Johannes den leeren Gang mit der Neonbeleuchtung runter. Die Hände in den Hosentaschen, seine blonden Haare fallen ihm ins Gesicht. Er legt seinen Kopf schief und lächelt, wie immer. Sein Lächeln. Für mich. Mich zerreißt’s.
    Dicht bleibt er vor mir stehen. »Guten Abend.«
    Ich hebe schüchtern

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