Leute, die Liebe schockt
die Hand. »Guten Abend.«
Er macht eine leichte Kopfbewegung. »Wollen wir raus? Ich bin mit dem Auto meiner Mutter da.«
»Okay.«
Leute, ich weiß auch nicht, was mit mir los ist. Plötzlich fühle ich mich total unsicher. Richtig wackelig auf den Beinen. Sonst bin ich immer eher forsch bei der Sache, was Johannes anbelangt, weil ich ja noch Arthur in der Hinterhand habe, aber auf einmal ist alles ganz anders, plötzlich vermisse ich Johannes, obwohl er neben mir geht, plötzlich will ich in sein Herz hineinkriechen, um mich darin wohnlich einzurichten. Ich kann mir ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen, ich glaube, wir wurden füreinander gemacht. Wir sind wie die Luftpumpe und der Ball oder der Schlüssel und das Schlüsselloch. Wir sind es, die sich perfekt ergänzen.
Johannes ist ja auch eher der künstlerische Typ. Er ist DJ und spielt Keyboard in einer Band. Außerdem malt er und er ist umweltbewusst eingestellt - genau wie ich. Er steht auf Mülltrennung und er würde nie Papier auf die Straße werfen. Arthur allerdings auch nicht. Arthur und er stehen beide total auf Urwald-Sozialprojekte. Der
eine war in Afrika, der andere in Kanada. Leute, wie soll man sich da entscheiden? Johannes und mich verbindet zwar die künstlerische Ader, aber Arthur und mich verbindet definitiv unsere außergewöhnliche emotionale Intelligenz. Wir können ziemlich genau einschätzen, was in den anderen Leuten vorgeht, wir sehen quasi die Beziehungsmuster im Äther, die uns alle miteinander verbinden. Das kann definitiv nicht jeder.
Das Dumme ist nur, dass ich für mich selber nie weiß, was genau in mir vorgeht und was am Vernünftigsten zu tun wäre. Wie jetzt: Sollte ich Johannes tatsächlich in der Dunkelheit über den spiegelnden nassen Parkplatz folgen? Es ist warm draußen, ab und an fällt noch ein Tropfen aus der Luft auf unsere nackten Arme. Wir laufen über den glänzend schwarzen Asphalt, von der Hitze des Tages steigen Dampfwolken zwischen den geparkten Autos auf. Viele der Wagenfenster sind runtergekurbelt, drinnen in den dunklen Innenräumen sitzen Eltern und werden vom weißen Licht ihrer Handydisplays angestrahlt. Offenbar tippen die alle SMS, bis der Arzt kommt. Johannes und ich gehen weiter, bis zur hintersten Reihe der geparkten Wagen. Johannes streckt seine Hand aus und lässt die Verriegelung seines Autos mithilfe des Autoschlüssels aufswitchen. Die Scheinwerfer gehen an. Und als wir in den Wagen seiner Mutter eingestiegen sind, gehen sie wieder aus. Wir sitzen im Dunkeln.
Mein Backstagepass baumelt um meinen Hals. Ich atme tief ein. Meine Knie zittern leicht. Johannes sieht mich von der Seite an, ich spüre das. Dann kommt er etwas nach vorne, seine Hand streicht über meinen Oberschenkel. Jetzt drehe ich ihm mein Gesicht zu.
Er flüstert: »Ich habe dich vermisst. Die Zeit mit dir hat mir gefehlt.«
Ich beiße mir auf die Unterlippe und nicke. »Mir auch.«
Johannes holt tief Luft. »Du weißt, dass du der wichtigste Mensch in meinem Leben bist? Du holst Sachen aus mir raus, von denen ich nicht mal wusste, dass sie da sind.«
»Was denn?«
»Ich meine, ich habe drei Bücher gleichzeitig gelesen. Die drei, die du mir damals gegeben hast.«
Das hat echt was zu bedeuten, Leute. Johannes ist nämlich Legastheniker und er hat in seinem Leben fünf Bücher gelesen. Im Gegensatz zu Arthur. Der liest ständig.
Ich lächle milde, und Johannes fährt fort: »Wir hatten immer viel zu lachen, was, Elsbeth? Du bist echt das einzige Mädchen, mit dem man sich vernünftig unterhalten kann. Ich habe so viel von dir gelernt. Und wenn ich vor einem Mädchen Respekt habe, dann vor dir. Ich war immer ehrlich zu dir.«
Ich klopfe mit meinen Fingerspitzen leicht nervös auf meinem Bein herum. »Super.«
Johannes lässt sich wieder zurück in den Sitz fallen, und ich finde, es wird jetzt Zeit, dass wir uns mal küssen, um die Sache voranzutreiben. Wenn ich eins nicht leiden kann, dann dumm auf der Stelle zu treten. Also rutsche ich auf meinem Sitz vor und drehe mich in Richtung Johannes. Ich beuge mich zu ihm herüber und er lässt sich von mir auf den Mund küssen. Irgendwie macht er auch ein bisschen mit, aber nicht richtig.
Ich sage ziemlich vorwurfsvoll: »Was sind das denn für Babyküsse?«
Und er: »Elsbeth, ich habe eine neue Freundin.«
Mein Herz stürzt ab wie ein wild gewordener Fahrstuhl. Meine Stimme klingt trocken: »Was? Seit wann das denn?«
»Seit vorgestern. Ich bin ziemlich in sie
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