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Leute, ich fuehle mich leicht

Titel: Leute, ich fuehle mich leicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Hennig von Lange
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in die Schule!«
    Ich glotze sie nur an und denke, dass mir die Schule so was von scheißegal ist. Im Leben geht es ganz offenbar um wichtigere Dinge. Nämlich um Liebe, Abschied und Schmerz. Und bevor ich vollkommen in der Problematik meines Lebens abtauche, hören wir, wie meine Schwester quer durch den Flur schreit, dass sie mit ihren Scheiß-Haaren heute unter gar keinen Umständen zur Schule gehen wird. Und Papa ruft, ganz entgegen seiner Natur, dass endlich Schluss sein müsse mit Cotschs Extravaganzen oder die Extra-Brüste würden ersatzlos gestrichen.
    Mama sieht mich alarmiert an: »Was denn für Extra-Brüste?«
     
    Eine Stunde später sitze ich auf meinem Stuhl in unserem Klassenraum und bin durch meinen nächtlichen Traum noch ganz verwirrt, weil es mir so vorkommt, als sei Arthur tatsächlich kurz hier bei mir in Deutschland gewesen. So als hätte er sich aus Afrika zu mir gebeamt und wüsste nun über Johannes und mich Bescheid. Jetzt ist er wieder nach Afrika zu seinen Hütten und Brunnen zurückgekehrt und ich kann ihn nicht erreichen. Ich weiß nämlich nicht, wie Beamen geht. Per Telekinese oder so. Keine Ahnung, wie das funktioniert. Beinahe fühlt es sich in mir so an, als würde ich meinen Arthur nie wiedersehen. So sehr habe ich ihn enttäuscht. Was mache ich denn nur? Hätte ich denn wie eine keusche Nonne auf ihn warten sollen, ohne zu wissen, wann und ob er jemals wiederkommt? Geht meine Liebe für ihn verloren, wenn ich auch noch Johannes liebe? Vielleicht hat Arthur auch schon längst eine neue Freundin unter den Entwicklungshelferinnen gefunden und will es mir nur nicht schreiben, damit ich nicht traurig bin? Was weiß denn ich? Vielleicht sollte ich mir für die kommende Nacht vornehmen, in Arthurs Träume einzubrechen, um mit ihm die emotionale Situation zu klären. Wobei ich lieber gar nicht wissen möchte, ob er sich frisch verliebt hat. Das würde mir das Herz brechen. Arthur gehört mir! Ich will nicht, dass er jemals eine andere als mich mit seinen Lippen küsst, mit seinen Händen streichelt. Er soll sich mit seinem geringelten T-Shirt auf mich legen und mir ins Ohr flüstern, dass wir füreinander geschaffen sind. Arthur, ich liebe dich.
    »Elisabeth!«
    Unser Mathelehrer Herr Herzberger sieht mich von der Tafel aus durchdringend an.
    »Schläfst du?«
    »Überhaupt nicht.«
    Ich lächle und in mir klumpen sich meine Organe zusammen. Tatsächlich habe ich echte Probleme, am Ball zu bleiben. Um ehrlich zu sein, hatte ich gerade ganz vergessen, wo ich mich befinde. Ich starre konzentriert zur Tafel, so als wollte ich die dort aufgeschriebenen Aufgaben im Kopf lösen. Neben mir hockt Alina mit ihrer platt gedrückten Frisur, obwohl ihre Mutter, wie wir wissen, sich dagegen ausgesprochen hat, dass sie neben einer Hungernden sitzt. Aber Alina und ich ignorieren das einfach. Unser Mathelehrer Herr Herzberger zieht seine Augenbraue hoch, dann endlich wendet er sich in seinem dunkelbraunen Anzug wieder der Tafel zu. Seine Hosenbeine und Ärmel sind viel zu lang, und er schreibt irgendwelche Zahlen hintereinander, die wir in unser Heft abschreiben und zusammenrechnen sollen. Keine Ahnung, wie das geht. Ich gucke zu Alina rüber, die heute wieder mal ganz in Schwarz gekleidet ist, und die scheint auch keinen Schimmer zu haben. Dafür ist sie gerade dabei, mit Kugelschreiber ihre Zehntklässler-Tussi mit den hochgesprühten Haaren in ihr Matheheft zu zeichnen. Pia heißt die. Leider kann Alina überhaupt nicht zeichnen. Die malt noch wie in der vierten Klasse. Erst ein »U« für das Gesicht, dann ein umgedrehtes »L« für die Nase, zwei Kullern mit schwarzen Punkten und so merkwürdig dicke Lippen. Das Ganze garniert sie dann mit diesem Struwwelpeter-Look.
    Ich schüttle so ein bisschen den Kopf und Alina glotzt mich mit ihren schwarz umrandeten Augen ziemlich wütend an: »Was ist?«
    »Nichts.«
    Ich zucke mit den Schultern, und als Nächstes erinnere ich nur noch, dass mich unser Mathelehrer Herr Herzberger zur Tafel ruft, damit ich da was ausrechne. Ich erinnere auch noch, wie ich sage: »Ich kann das nicht.«
    Er sagt: »Na, los, Elisabeth. Das kriegen wir hin.«
    Ich stehe also auf, weil ich weiß, dass Diskutieren bei Herrn Herzberger nichts bringt, und habe dieses gewaltige Rauschen im Kopf, als würde flüssiger Beton hineingegossen werden und langsam aushärten. Schnell setze ich mich wieder hin. Von weit weg höre ich die verzerrte Stimme meines Lehrers, die sich durch den

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