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Leute, ich fuehle mich leicht

Titel: Leute, ich fuehle mich leicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Hennig von Lange
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auf den Oberschenkel, und ich denke, hier läuft gerade eine astreine Vergewaltigungsnummer an.
    »Elisabeth, wie geht’s?«
    Ich schlucke und sage laut: »Alles roger.«
    Nicht dass er denkt, ich sei ein leichtes Opfer.
    »Bist du sicher?«
    »Jep.«
    Ich entschließe mich, mich nicht zu rühren und abzuwarten, was als Nächstes geplant ist. Herr Falke nimmt auf dem kleinen Hocker Platz und schiebt seine Brille die schmale Nase rauf. Er fragt mit so einer Krankenpflegerstimme: »Warum willst du denn nichts essen, Elisabeth?«
    Hä? Was geht denn hier ab? Können mich die Leute mal in Ruhe lassen? Wieso soll ich jetzt mit Herrn Falke über meine Essgewohnheiten sprechen? Zum Glück muss ich nicht lange auf die Antwort warten.
    »Einige Eltern machen sich sorgen, ihre Töchter könnten sich bei dir mit dem Gehungere anstecken.«
    Ich atme tief ein und wieder aus. Das macht Papa auch immer, wenn es ihm reicht. Das ist für uns dann das eindeutige Zeichen, dass man ihn besser besänftigen und nicht mehr reizen sollte.
    Herr Finke scheint das Zeichen leider nicht entschlüsseln zu können. Er hebt die Hand und meint: »Du musst das verstehen. Eltern wünschen sich nun einmal, dass ihre Töchter zu gesunden jungen Frauen heranwachsen.«
    Igitt! Ich kotze gleich. Ich spüre schon Herrn Falkes Hände in meiner Brustgegend herumlümmeln. Ich schätze, er muss sich echt zusammenreißen, seine Griffel unter Kontrolle zu behalten. Schmieriger geht es wohl nicht mehr. Vermutlich wird er sich gleich auf mich legen, seine Leistengegend fest an meine pressen und anfangen, so voll eklig zu stöhnen. Herr Falke ist der ultimative Lustmolch. Ich nicke, damit er denkt, dass ich einsichtig bin. Dabei presse ich die Lippen aufeinander. Schon wieder legt er mir seine schmierige Hand auf den Oberschenkel:
    »Ich weiß, ich weiß.«
    Was weiß er? Ich atme noch einmal tief ein und sage: »Alinas Mutter hat schon meine Mutter angerufen. Die haben das geklärt.«
    »Sie will, dass Alina nicht mehr neben dir im Unterricht sitzt.«
    »Ja, ist mir bekannt.«
    Ich nicke und denke, dass mich alle mal am Arsch lecken sollen. Herr Falke steht wieder auf, tätschelt mir noch mal am Oberschenkel rum und meint: »Vielleicht findest du die Freude am Essen ja wieder. Das wäre für uns alle schön. Dann müssten wir uns nicht mehr solche Sorgen um dich machen.«
    »Kein Problem.« Ich lächle mein berühmtes Lächeln, um ihm ein gutes Gefühl zu geben, und innerlich denke ich, dass das hier gerade der ultimative Albtraum ist.
    »Super!« Herr Falke zwinkert mir zu und verschwindet mit einem total erleichterten Gesichtsausdruck. Wahrscheinlich kommt er sich gerade vor wie Jesus Christus, der es geschafft hat, Blinde wieder sehend zu machen.
    Wirklich. Genau so sah er eben aus. Der glaubt wohl wirklich, er hätte mich höchstpersönlich vor dem Verhungern gerettet, weil er mir seine heilenden Hände auf den Oberschenkel gelegt hat. Der hat doch keine Ahnung vom Leben. Ich merke, wie es in meinen Augen gefährlich anfängt zu brennen. Ich werde nicht weinen. So viel ist mal klar.
    Ich stehe auf, gehe hinaus auf den Flur, die Treppe hinunter, durch den Strom der mir entgegenkommenden Schüler. Sie lärmen und schubsen und lachen und schwingen sich ihre Taschen über die Schultern. Ich will hier raus, raus aus der Schule. Über die Wiese, den kleinen Trampelpfad entlang, zum Fahrradschuppen. In der Wärme des anbrechenden Nachmittages radle ich die rosa blühende Allee hinunter, durch die gelben Rapsfelder, in den sattgrünen Park hinein. Zu der Stelle, wo der Fluss sich in eine reißende Kurve legt.

13
    Eigentlich war Mama ja dagegen, dass ich nach dem Abendessen noch mal das Haus verlasse. Aber da ich so geschickt war, zu behaupten, dass ich mit Alina an einem schwerwiegenden Kunstprojekt für die Schule arbeite, durfte ich noch mal vor die Tür. Jetzt düse ich auf meinem Rad durch die gelben Rapsfelder und die laue Abendluft, rüber zu Alina, die im Nachbarort wohnt. Nachdem ich über die Brücke bin, tippe ich noch schnell eine SMS an Johannes. Ich habe heute schon vier von ihm gekriegt. Er will wissen, was meine aschegefüllte Mikrobe macht. Seine hat sich irgendwie entzündet, weswegen er leicht erhöhte Temperatur hat und am liebsten mit mir zu Hause auf seiner Matratze herumliegen und Musik hören würde. Er meint, das sei die Abwehrreaktion des Körpers gegen die Zigarettenasche, die wir ins offene Fleisch gestreut haben. Ich merke zum Glück

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