Leute, ich fuehle mich leicht
nichts weiter, außer dass mein Hosenbund beim Radfahren ziemlich an der Mikrobe scheuert.
Johannes ist gerade bei seiner Bandprobe. Er meint, er will ein Lied für mich komponieren. Ich werde eine Skulptur für ihn kneten. Es ist gut, jemanden zu haben, der die eigene künstlerische Arbeit wertschätzen kann. Johannes meint: »Du bist meine Muse.« Natürlich schätzen Mama und Papa meine Skulpturen auch wert, aber das würden sie nie klar und deutlich sagen, damit Cotsch nicht durchdreht. Die würde nur wieder schreien: »Und mich findet ihr wohl einfach nur scheiße, was?«
Als ich vor Alinas Haus ankomme, lehne ich mein Rad gegen den frisch gebeizten Jägerzaun und rufe meine Freundin auf dem Handy an, um nicht klingeln zu müssen. Hinterher macht ihre beschränkte Mutter auf und behandelt mich wie eine Aussätzige. Darauf kann ich echt verzichten. Herr Falke hat mir heute mit seinem Guru-Auftritt schon den letzten Nerv geraubt. Ich verstecke mich hinter einem bereitstehenden Baum und am anderen Ende der Leitung geht Alina dran. Im Hintergrund bellen ihre Scheiß-Yorkshire.
»Lelle, bist du’s?«
»Wer sonst?«
»Ich komme.«
Augenblicklich geht die Haustür auf und Alina tritt mit ihren frisch gestylten Haaren heraus. Diese Zuckerwattefrisur sieht so bekloppt aus. Irgendwann werde ich es ihr noch einmal sagen. Sie hat sich ausnahmsweise in eine knallrote Röhrenjeans gequetscht und dazu trägt sie ein schwarzes, enges Shirt mit Totenkopfaufdruck. Zur Krönung hat sie sich auch noch so einen unförmigen silbernen Ring aus Blumendraht in die Unterlippe geklemmt. Scheiße, ist das peinlich. Das sieht aus wie früher bei Cotsch und mir, als wir uns als kleine Mädchen Alufolie auf die Ohrläppchen geklebt haben, weil wir uns nicht die Ohrläppchen durchschießen lassen durften. Cotsch hat es eines Tages natürlich trotzdem getan. Das gab vielleicht ein Theater. Vom Feinsten. Vor allen Dingen, weil sie noch am selben Abend die Dinger wieder aus den Ohrläppchen gerupft hat, um ihnen eine Eins-a-Desinfektion zukommen zu lassen. Das war natürlich eine richtig dumme Idee. Denn: Habt ihr mal versucht, Ohrstecker per Hand in ein frisches Ohrloch zurückzuprokeln? Das kann man total vergessen. Ich habe mich trotzdem an die Arbeit gemacht, weil Mama bereits mit Kreislaufproblemen auf dem Sofa lag, und nach einer Stunde hatte ich das Werk vollbracht. Ich muss nicht sagen, dass Cotsch danach mit einer beidseitigen Ohrentzündung zu kämpfen hatte. Egal. Alina schiebt ihr Rad aus der Garage und hockt sich auf den Sattel. Ohne Helm!
»Let’s go.«
Unter uns: Ich habe leichte Bauchschmerzen, was unsere abendliche Aktion anbelangt. Ich seufze und gurke hinter Alina die Straße hinunter in Richtung Pias Haus. Ich will ja nicht schon wieder was sagen, aber es sieht echt so aus, als würde vor mir ein lebender Staubwedel in die Pedale treten.
Alina fährt langsamer, sodass ich sie einhole und neben ihr fahre. Sie glotzt zu mir rüber und fragt: »Ist was?«
Ich schüttele den Kopf und tue so, als hätte ich mich nach einer seltenen Pflanze am Wegesrand umgeguckt. Nach fünf Minuten kommen wir dann auch schon bei der Kirche an. Im Fahrradständer vor dem Gemeindehaus lassen wir unsere Räder stehen und schleichen uns langsam an. Was etwas schwierig ist, weil es noch relativ hell draußen ist. Alina macht so merkwürdige Handzeichen, von denen ich vermuten muss, dass sie sich die bei dem rothaarigen CSI-Miami-Chef David Caruso abgeguckt hat.
Als wir an einem etwas größeren Gebüsch mit roten Beeren vorbeischleichen, flüstert sie: »Hock dich hin!«
Ich hocke mich hin und Alina geht zeitgleich neben mir in die Knie. Ich schätze, das bringt nicht viel, weil ihre Haare derart hoch in die Luft stehen, dass sie garantiert von allen Seiten gut zu sehen ist. Aber daran denkt sie wohl gerade nicht.
Sie wispert: »Okay, Lelle. Pass auf.«
Ich gucke sie an und muss schon wieder grinsen, bei dem Gedanken, wie ich Johannes später von Alinas Haarpracht berichten werde.
Sie stößt mich mit dem Ellenbogen an und zischt: »Ich sagte: Pass auf!«
Ich sage: »Mache ich doch.«
»Und warum gibst du mir dann kein Zeichen, dass du aufpasst?«
»Bist du bescheuert?«
»Also, okay. Vergiss es. Wir machen es folgendermaßen: Du kletterst jetzt auf den Baum. Wenn du oben bist, klingele ich unten an der Haustür. Sobald du dann ein lautes Räuspern von mir hörst, steigst du ins Zimmer ein.«
»Wieso klettere ich auf den Baum? Ich
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