Leute, ich fuehle mich leicht
wäre oder ob er denkt, dass er sich besser von mir distanzieren sollte, weil ich nicht mehr alle Tassen im Schrank habe. Ich würde mich wirklich besser fühlen, wenn ich seine Gedanken lesen könnte. Leider kann ich das nicht, und sobald ich mal ein paar Minuten Zeit habe, werde ich im Internet nach Informationen googeln, die mir Aufschluss darüber geben, ob man Gedankenlesen erlernen kann oder nicht. So ähnlich, wie es ja auch einige Leute schaffen, per Konzentration Löffel zu verbiegen. Wenn ich tatsächlich brauchbare Hilfestellungen finden sollte, werde ich mir alles dafür nötige Material beschaffen, um mir diese Gabe anzueignen. Ich brauche Sicherheit.
Johannes und ich gehen die Straße hinunter, sein nackter Arm liegt auf meiner Schulter, seine gebräunte Hand wippt neben meinem Kinn im Takt unserer Schritte. Er scheint ziemlich gut gelaunt zu sein. Das sollte mir ein sicheres Gefühl geben, tut es aber nicht, weil ich mich neben ihm gerade ziemlich mickrig fühle. Am besten, ich sage nichts. Er soll reden. Zum Glück macht er es auch.
»Los! Zeig mir mal die Klapsmühle von innen. Haben die hier auch Gummizellen?«
»Ich weiß nicht.«
»Und was ist mit Zwangsjacken?«
»Ich glaube nicht.«
»Und wo taumeln die ganzen Hirnis rum, die ihre Köpfe gegen die Wände hauen und sich die Haare ausreißen?«
Einer geht direkt neben dir, könnte ich sagen. Stattdessen flüstere ich: »Die gibt es hier nicht.«
Ich bleibe stehen und sehe nach unten auf meine staubigen Schuhe und den Kies auf dem Vorplatz. Er ist weiß, in den einzelnen Steinchen bricht sich dumpf die Sonne. Ich mag nicht, wie Johannes redet. Irgendwie kommt er mir so verändert vor. Er tritt näher heran, sodass ich seine T-Shirt-Brust direkt vor meiner Nase habe und seinen Duft einatmen kann, der nach Sonne und Sandstrand riecht. Er gibt mir einen Kuss auf die Stirn, zieht mich wieder fest an sich und flüstert: »Entschuldigung. Ich glaube, ich bin nur ein bisschen nervös.«
Ich nicke und sage: »Ich auch.«
Dann sehen wir uns an und ziehen jeder eine alberne Grimasse. Johannes fragt: »Ey, was ist denn mit deinen Augen passiert? Die sind ja total verquollen.«
Ich sage: »Ach nichts.«
Und dann gehen wir Hand in Hand zum See hinunter, den Weg unter den rauschenden Baumkronen entlang, bis zu der versteckten Badestelle, die ganz von sirrendem und flirrendem Schilf eingefasst ist. Da legen wir uns in den warmen Sand, ganz eng aneinander, und sehen über die glänzende und leise schwappende Oberfläche des Sees, auf dem die kleinen Optimistensegler in ihren orangefarbenen Rettungswesten ihre Runden ziehen.
Ich drehe mich auf den Bauch, stütze mich mit den Ellenbogen im Sand ab und sage: »Schön, dass du da bist.«
Johannes grinst, beugt sich zu mir herüber und dann küssen wir uns, und gleich muss ich wieder an Mama denken, die langsam mit dem Kopf schüttelt und »Tz, tz, tz« macht. So als wäre das das Schlimmste auf der Welt, sich zu küssen. Ich versuche mit aller Macht, meine Mutter aus dem Kopf zu kriegen - und gerade als ich es so einigermaßen geschafft habe, raschelt es vor uns im dichten Schilf. Johannes und ich rappeln uns auf. Ein Ast knackt, die Frösche springen panisch ins seichte Wasser und die schaurige Simone kommt in ihren hellgelben Bermudashorts und im »Sexy Girl«-Shirt aus dem Gestrüpp gestrauchelt. Überflüssig zu erwähnen, dass sie meine gelben Flip-Flops an den Füßen hat.
»Lelle! Ich suche dich überall. Ich dachte, du bist abgehauen oder so.«
»Jetzt hast du mich ja gefunden.«
Simone glotzt mich an, wie ich da im Sand sitze, dann wandern ihre Glupscher interessiert zu Johannes rüber. Und während sie ihn gründlich abscannt, streicht sie sich eilig ihre langen Haare nach hinten und wirft sie anschließend gekonnt über die Schulter.
»Halli-Hallöchen! Wer bist du denn?«
Sie streckt Johannes ihre Hand mit den rot lackierten Fingernägeln entgegen und lächelt mit halb geschlossenen Augenlidern. Johannes greift nach ihrer Hand, und ich könnte ihm jetzt sagen, dass Simone sich die gerne auch mal ganz in den Rachen schiebt, um sich gründlich zu erbrechen. Innerlich bin ich schon wieder so was von auf hundertachtzig. Nachher, wenn wir heute Abend allein in unserem Zimmer sind, werde ich sie auf ihr Bett fesseln und foltern. Ich schwöre es. Ich werde ihr die Klamotten vom Leib reißen, nur ihren verschissenen Schlüpfer darf sie anbehalten, und dann werde ich brennende Zigaretten auf
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