Leute, mein Herz glueht
glotzt seine zukünftige Frau mit aufgerissenen Augen an. In so einem Zustand habe ich Helmuth noch nie erlebt. Er reibt sich mit den Händen immer wieder nervös über seine Oberschenkel, die in einer glänzend blauen Sporthose stecken, und meint plötzlich mit ganz trockener Stimme: »Constanze, vielleicht hast du vergessen, dass ich dich auch zurückgenommen habe.«
Meine Schwester wendet ihren Kopf langsam in seine Richtung. Ihre Augen sind zu schmalen Schlitzen zusammengezogen. »Was willst du damit sagen?«
Oha! Dieses Gespräch könnte knifflig werden. Ich muss gestehen: Helmuth, das war ein mutiges Statement. Meine Schwester dampft so richtig aus allen Löchern. Ihre Augen blitzen, ihre Lippen sind kaum noch zu sehen. Helmuth schluckt. Jetzt erst checkt er das Ausmaß seiner Bemerkung. Ich hoffe, dass er stark bleibt. Meine Schwester verachtet nämlich Weicheier. Er scheint meine Gedanken gelesen zu haben. Denn er zuckt mit den Schultern und meint ziemlich souverän: »Ich sage nur: Gérard-Michel. Mit diesem edlen Herrn hattest du ja wohl was.«
»Das, lieber Helmuth, ist ja wohl nicht ganz das Gleiche.«
»Aha? Und warum nicht?«
»Ich bin eine emanzipierte Frau.«
»Na und? Ich bin ein Mann. Ich habe auch Gefühle. Du hast mir wehgetan, als du mit Gérard-Michel was angefangen hast.«
Nur zur Info, Leute. Gérard-Michel ist, wie der Name schon sagt, Franzose. Er wohnt Helmuth genau gegenüber, ist mit Dorle verheiratet und der Vater von Antoine. Wir erinnern uns: dem Franzosen, der meine Schwester abgesägt hat. Und eines schönen Tages haben Helmuth und ich die beiden auf frischer Tat ertappt. Nämlich als die beiden Verliebten gegenüber aus dem Haus rauskamen. Und der dusselige Gérard-Michel kam sich nicht zu blöd vor, Cotsch voll an den Hintern zu grapschen und wie ein wollüstiger Hirsch rumzuröhren. Total peinlich! Vor lauter Wut und Enttäuschung über so viel Niedertracht hat Helmuth ein paar Mal tief Luft geholt und plötzlich wie wild mit den blühenden Topfpflanzen rumgeworfen, die seine vorherige Frau bei ihm im Vorgarten zurückgelassen hatte. Dazu hat er die schlimmsten Schimpfworte geschrien, Worte, wie ich sie bisher nur aus dem Mund meiner Schwester gehört hatte. Ich will sie besser nicht wiederholen. Ich sage nur: »Du Mettwurst-Joe!« Oder: »Du treulose Tomate!«
Meine Schwester streckt übertrieben entspannt ihre Beine auf dem Beistelltisch aus und gähnt genüsslich. Diese Geste kenne ich. Die macht sie immer, wenn sie sich in die Enge getrieben fühlt. Dazu meint sie auch noch so von oben herab: »Fang jetzt bitte nicht an zu heulen, Helmuth.«
Doch davon ist ihr Verlobter weit entfernt. Er nickt nur selbstvergessen. Schließlich steht er von seinem Sofaplatz auf und bemerkt so ganz freundlich: »Dies ist wahrscheinlich der richtige Augenblick, liebe Constanze, um dir zu sagen, dass ich dich sofort verlassen werde, sollte ich herausbekommen, dass du mich betrügst. Ich werde dich kein zweites Mal zurücknehmen. Hast du mich verstanden?«
Cotsch glotzt ihren zukünftigen Ehemann aus großen Augen an und nimmt augenblicklich ihre frisch lackierten Füße vom Tisch. »Hä?«
Helmuth bleibt in der Mitte des Wohnzimmers stehen, wischt sich mit seinem Schweißband über die feuchte Stirn und hinter ihm prasselt der Regen mit Wucht gegen die Scheibe. Sehr eindrucksvoll.
Meine Schwester stiert wütend in der Gegend rum und ruft: »Hallo! Was soll das jetzt bitte wieder heißen?«
»Du hast mich schon verstanden.«
Meine Schwester fummelt erneut ihren BH zurecht, als sei er ihre einzige Sorge. Als sie damit so weit alles geregelt hat, legt sie ihre Beine zurück auf den Beistelltisch und bemerkt plötzlich wie eine eiserne Geschäftsfrau: »Natürlich habe ich dich verstanden, lieber Helmuth. Aber das heißt ja nicht, dass ich mich daran halten muss. Es wäre viel eher angebracht, dass du dir überlegst, ob du mich wirklich heiraten möchtest, auch wenn klar ist, dass ich nie werde treu sein können.«
Meine Herren! Das ist jetzt eine klassische Patt-Situation. Hier treffen zwei vollkommen unterschiedliche Lebensentwürfe aufeinander, die definitiv nicht zusammenpassen. In jedem Fall würde ich Helmuth den Rat geben, meine Schwester unter diesen Umständen besser nicht zu heiraten. Das kann nur nach hinten losgehen. Sie wird ihm wieder und wieder das Herz brechen, bis davon nur noch ein paar Krümel übrig bleiben. Und meiner Schwester wiederum würde ich den dringenden Rat
Weitere Kostenlose Bücher