Leute, mein Herz glueht
meiner Schwester zu gefallen. Allerdings kann ich ihm gleich verraten, dass das ein hoffnungsloses Unterfangen ist. Ich wette, der putzt ihr sogar die Zähne, wenn sie es wünscht.
Langsam vermute ich wirklich, dass Cotsch der schlimmste Patriarch ist, der auf unserer Erde herumrennt. Das liegt daran, dass Mama ihr schon sehr früh sämtliche klassischen Werke der Literaturgeschichte zu lesen gegeben hat, in denen es immer wieder darum ging, dass intelligente Frauen von ihren Ehemännern unterdrückt werden und darum keinen anderen Ausweg kennen, als sich umzubringen. Durch die Gabe solch doppelbödiger Literatur wollte Mama verhindern, dass ihrer »Ältesten« das gleiche Frauenschicksal widerfährt. Nun widerfährt es Helmuth, weil meine Schwester der Auffassung ist, dass er all das gutzumachen hat, was die Männer in den vergangenen Jahrhunderten an den Frauen verbrochen haben. Helmuth scheint es zu gefallen. Das tröstet mich.
Ich schlurfe rüber in die Küche, deren Einbauschränke ebenfalls vollkommen holzvertäfelt sind. Auf der Fensterbank schwimmen hundert unterschiedlich große Holzenten herum. Offenbar hat Helmuth ein Faible für Nippes. Irgendwo habe ich in letzter Zeit schon mal so eine groteske Enten-Ansammlung gesehen. Mir will beim besten Willen nicht einfallen, wo. Scheiße. Jetzt werde ich bis zu meinem Lebensende darüber nachdenken, wo das war. Jedenfalls meine ich mich zu entsinnen, dass Alina auch dabei war. Oder habe ich gerade eine Vision? Vermutlich bin ich schon vollkommen überreizt. Das ist Mamas Lieblingswort: »überreizt«. Früher hat sie ständig zu irgendwelchen Leuten gemeint: »Meine Kinder sind heute stark überreizt.« Oder sie hat es direkt zu uns gesagt: »Kinder, warum seid ihr heute nur wieder so überreizt?« Und irgendwann entsprach diese »Überreizung« Cotschs und meinem Lebensgefühl. Bis heute. Na ja. Ich will euch ja nicht langweilen. Ist ja zum Glück nicht euer Problem.
Ich pelle mir das nasse T-Shirt vom Leib, und mir fällt auf, dass auf dem Bord über der Brotschneidemaschine bemerkenswert viele Schnapsflaschen stehen. Ich hoffe, die sind ausschließlich für Gäste bestimmt. Nicht dass Helmuth am Ende ein astreiner Alkoholiker ist. Jetzt strample ich mir noch schnell meine feuchte Jeans von den Beinen und rupfe mir meine Strümpfe von den Füßen. Anschließend schlüpfe ich hurtig in den voluminösen Bademantel, und als ich mich darin so richtig eingemummelt habe, fällt mir ein, dass Helmuth den vermutlich auf nackter Haut trägt. Würg. Aber was soll ich machen? Ich kann mir ja schlecht wieder die nassen Sachen anziehen, nur weil Helmuths Penis an dem Mantel rumgerieben hat. Hauptsache, ich werde auf diesem Wege nicht von ihm schwanger. Leute, ich bin gerade etwas verunsichert? Könnte das theoretisch passieren?
Etwas angespannt stakse ich im Bademantel rüber ins Wohnzimmer und komme mir vor wie dieser seltsame Doktor Schiwago. So ein romantischer Russe, der sich im dicken Fellmantel und Fellmütze durch heftiges Schneegestöber kämpft, auf der Suche nach seiner Liebsten. Den Film zieht sich Mama ab und an auf DVD rein. Die steht auf solche heftigen Machwerke. Papa und ich schlafen dabei regelmäßig ein.
Helmuth und meine Schwester hängen entspannt auf dem Sofa rum und blättern schon wieder in ihren Hochzeitskleid-Katalogen. Zum Glück hat Cotsch in der Zwischenzeit davon abgesehen, sich an Helmuths Gemächte zu schaffen zu machen. Zuzutrauen wäre ihr so ein »Quickie« allemal. Dafür präsentiert sie mir und Helmuth ungeniert ihre prallen Dinger im grünen Spitzen-BH, als würde hier ein Oberweiten-Wettbewerb stattfinden. Den würde sie zweifellos gewinnen, ich bin nämlich flach wie ein Bügelbrett. Trotzdem reicht meiner Schwester ihr Umfang nicht aus. Darum hat sie Papa neulich um eine Stange Geld angebettelt, weil sie sich dringend operativ aufpolstern lassen wollte. Daraufhin hat Papa eine Kosten /Unkostenrechnung aufgemacht und festgestellt, dass das »rausgeschmissenes Geld« sei. Danach war das Verhältnis zwischen den beiden erst mal wieder im Eimer. Cotsch hat getobt: »Du gönnst mir echt überhaupt nichts.« Und Papa hat stumm mit den Schultern gezuckt. Mama hat - ganz entgegen ihrer sonstigen Stimmung - plötzlich zufrieden gelächelt. Sie ist nämlich total auf dem Bio-Trip und befürchtet, die Silikon-Dinger könnten in Cotschs Brustkorb implodieren. Also, ich würde mir nie etwas Derartiges einpflanzen lassen, obwohl ich echt
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