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Leute, mein Herz glueht

Titel: Leute, mein Herz glueht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Hennig Lange
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zumindest geschafft hatte, sie mit Hängen und Würgen raus auf den Fußabtreter zu schleifen, konnte ich gerade noch zu Helmuth sagen: »Mama wäscht dir den Bademantel durch und ich bringe ihn dir dann sofort wieder, ja?«
    Währenddessen musste ich Cotsch den Mund zuhalten, weil sie nonstop rumgebrüllt hat: »Helmuth, du Sau! Du darfst mich nicht verlassen!«
    Aber der meinte nur, dass ich ihm den Bademantel am besten gleich wiederbringen soll, damit die Besitzstände geregelt sind. Da hatte sich Cotsch schon wieder freigekämpft und wollte mit den Fäusten auf ihn losgehen. »Ich bringe dich um, wenn du mich verlässt!«
    Da habe ich sie schnell am grünen BH-Träger geschnappt und gemeint: »Mach es nicht noch schlimmer.«
    Und Helmuth hat einfach die Haustür zugehauen. Voll dramatisch.
    Eigentlich hatte meine Schwester vor, sich im Anschluss auf den Fußabtreter zu werfen und noch ein bisschen mehr Theater zu veranstalten, weil das bei Mama ja auch immer fruchtet. Aber da ist Corinna Melms, die Tochter von Frau Melms, aus dem Nachbarhaus gekommen und hat ziemliche Stielaugen gekriegt. Mit ihrer Brave-Mädchen-Stimme meinte sie total scheinheilig: »Hallo, ihr zwei! Was macht ihr denn da?«
    Am liebsten hätte ich ihr den Mittelfinger gezeigt. Aber dann habe ich mir die Geste gespart, da Corinna Melms sowieso schon überall in der Nachbarschaft rumerzählt, dass meine Schwester unmoralisch ist, weil sie Helmuths Ehe zerstört hat. Außerdem tut die dumme Nuss immer so, als sei sie was Besseres. Dabei sind ihre Eltern einfach nur »neureiche Idioten«, wie Cotsch gerne sagt. Sie meint: »Die haben sich hochgearbeitet - und zwar mit korrupten Mitteln.« Beweise hat sie dafür keine. Dennoch hasst meine Schwester Corinna bis aufs Blut. Und das hat noch einen anderen Grund: Corinna geht auch zur Therapie bei Frau Thomas. Sie hat das Borderline-Syndrom. Jedenfalls hat die dumme Nuss das bei Gelegenheit mal behauptet. Ich glaube ja nicht daran. Cotsch übrigens auch nicht. Die sagt: »Corinna ist überhaupt nicht krank. Die ist einfach nur dumm.« Cotsch kann es definitiv nicht ertragen, dass diese spießige Thusnelda in ihrem hellrosa Tussi-Dress zur Therapie darf, sie selbst aber nicht. Deswegen herrscht so eine gewisse Fehde zwischen den beiden.
    Und bevor Cotsch sich wieder vom feuchten Fußabtreter hochgerappelt hatte, kam Corinna schon mit Schirm, Charme und Melone den benachbarten Vorgartenweg entlanggetapert. Dabei hat sie plötzlich total abfällig »Tztztz« gemacht. Dann hat sie die Mundwinkel nach unten gezogen und mit geringschätzigem Unterton gemeint: »Also, meine Mutter würde mir die Leviten lesen, wenn ich mich so benehmen würde.«
    Mit »so« meinte sie natürlich meine Schwester - und vielleicht sogar auch mich. Obwohl ich nicht wüsste, warum.
    Mit letzter Kraft hat sich Cotsch wieder auf ihre Beine hochgearbeitet, die regendurchtränkten Haare nach hinten über die Schulter geschleudert und geschrien: »Ich suche meine Kontaktlinsen, du dumme Sau! Was dagegen?!«
    Vor Schreck hat die blöde Corinna direkt einen Sprung nach vorne gemacht und ist schnell um die nächste Häuserecke gesprintet. Trotzdem ist ihr mit Sicherheit nicht entgangen, wie Cotsch hinter ihr hergebrüllt hat: »Frigide Oma!«
    Anschließend konnten wir endlich durch den strömenden Regen gen Heimat aufbrechen. Da sind wir nun. Halb nackt und im Bademantel. Auf dem Weg nach Hause.
    Cotsch brüllt noch immer gegen den herabstürzenden Regen an: »Lelle! Ich befehle dir, den Bademantel auszuziehen!«
    Aber das wird nie passieren. Bevor nicht klar ist, dass die Welt in den nächsten Minuten durch einen einzigen atomaren Schlag der Supermächte ausgelöscht werden wird, werde ich nicht nackt durch die Nachbarschaft laufen. Das ist ja wohl sonnenklar. Also sage ich: »Vergiss es.«
    Mein Plan sieht folgendermaßen aus: Ich liefere meine Schwester kurz zu Hause ab, ziehe mir schnell etwas Trockenes an, stopfe den räudigen Bademantel in eine Plastiktüte, werfe mir Mamas gelbe Regenjacke über und mache mich wieder zu Helmuth auf den Weg. Wenn ich dann endlich wieder zu Hause bin, rufe ich Johannes an. Leider musste ich ja vorhin das lang ersehnte Gespräch abbrechen, da meine Schwester plötzlich angefangen hat, mit einem Sofa-Kissen auf Helmuth einzudreschen. Dabei hat er den Reißverschluss ins Auge gekriegt. Das sah ordentlich rot aus, als wir ihn eben verlassen haben. Ich hoffe, er erblindet nicht. In jedem Fall war Helmuth

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