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Leute, mein Herz glueht

Titel: Leute, mein Herz glueht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Hennig Lange
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Penner muss zu Kreuze kriechen, aber richtig. Ihr merkt schon, ich bin heute in echt religiöser Stimmung. Keine Ahnung, woran das liegt. Vermutlich, weil ich letztes Jahr mal den Kindergottesdienst geleitet habe. Und Mama wird meine Zeugin, wenn Johannes der Täufer, so nenne ich ihn jetzt mal, meine Füße küsst.
    Aber erst einmal lege ihr die willenlose, vollkommen durchnässte Cotsch in die Arme, die mit letzter Kraft murmelt: »Da hat jemand deinen Namen gerufen, Lelle.«
    Ich sage: »Tatsächlich? Ich habe nichts gehört.«
    Meine Schwester klimpert ein bisschen mit den Augenlidern und legt sich theatralisch die kühle Hand auf die Stirn. Jetzt tut sie so, als sei sie Virginia Woolf, diese intellektuelle Schriftstellerin, die sich vor lauter Verzweiflung über die Mittelmäßigkeit der Gesellschaft das Leben genommen hat. Einmal hat Mama sogar die Vermutung geäußert, Cotsch sei womöglich Virginias Reinkarnation. Beim Abendbrot meinte sie plötzlich: »Constanze und Virginia haben exakt die gleichen Nasen.« Das ist auch der Grund, warum Mama Cotsch derart vergöttert. Leider hat sie darüber total versäumt, sie anständig zu erziehen. Also, ein paar Backpfeifen hätten meiner Schwester in der Vergangenheit definitiv nicht geschadet, so viel ist mal klar. Die ist total verzogen. Die kann sich alles erlauben. Die checkt überhaupt nicht, dass sie Mama mindestens einmal am Tag an den Rand der Verzweiflung bringt.
    Jetzt versucht unsere Mutter zum Beispiel gerade, Cotsch rüber ins Zimmer zu schleppen, was ihr nur schwerlich gelingt. Dabei fragt sie immer wieder: »Was ist denn passiert? Hat dir jemand etwas angetan?«
    Dass Cotsch jemandem etwas angetan haben könnte, auf den Trichter kommt Mama gar nicht. Immer ist Constanze ihr armes Kind. Ich sehe den Flur runter, bis zum Garten, wo Papa in seiner gelben Regenjacke und Regenhut den feucht glänzenden Rasen mäht.
    Mama fragt wieder: »Ja, was ist denn passiert?«
    Und ich sage: »Nichts weiter. Helmuth hat sich nur von Cotsch getrennt.«
    »Was? Warum das denn? Er hat doch vorhin erst den Champagner ausgeschenkt.«
    Mama glupscht mich schon wieder so an, als sei ich der Erzengel Gabriel und hätte ihr gerade eine kryptische Botschaft gebracht. Ich zucke mit den Schultern. »Lass es dir von Cotsch erzählen.«
    Ich muss mich jetzt um meine Angelegenheit kümmern, die jeden Augenblick durch die Eingangstür gelatscht kommt. Es wäre in jedem Fall wünschenswert, wenn Papa sich noch ein wenig mit seinen Gewächsen beschäftigen würde und nicht unbedingt mitkriegt, was hier im vorderen Teil des Hauses vor sich geht. Er kann es nämlich nur schwer ertragen, wenn Psychokrise angezeigt ist. Und Johannes muss er auch nicht zwingend begegnen. Wie gesagt: Mein Vater steht auf gutes Benehmen. Meine Gesundheit liegt ihm am Herzen.
    Mama zerrt ihre verschmähte Tochter unter enormer Kraftanstrengung auf ihr Rüschenbett und fängt an, ihr die nasse Hose von den Beinen zu pellen. Das sollte sie einmal bei mir versuchen! Ich würde glatt zutreten. Mich fasst keiner an. Dazu will sie immer wieder wissen: »Ja, was ist denn passiert, mein Kind?«
    Und das ist der Augenblick, in dem sich meine Schwester komplett gehen lässt und die emotionalen Kanäle öffnet. »Es ist alles eure Schuld! Ihr habt mich zerstört und darum werde ich nie …«
    Mama stöhnt auf und gibt der Tür reflexartig einen Schubs, sodass sie hinter den beiden zuknallt und kein Klagelaut mehr an meine Ohren dringt. Das kann mir nur recht sein. Und als sei das hier ein Eins-A-Kammerspiel, betritt dafür ein sehr nasser Johannes die Szenerie.
    Mit möglichst grimmiger Stimme frage ich: »Was willst du hier?«
    Er glotzt mich an wie ein Fisch und schließt leise hinter sich die Haustür. Dann fragt er im Flüsterton: »Sind deine Eltern da?«
    Und ich sage extra laut: »LOGISCH SIND MEINE ELTERN DA. SCHLIESSLICH BIN ICH HEUTE AUS DER KLINIK ENTLASSEN WORDEN. DA WOLLTEN MICH ALLE HERZLICH WILLKOMMEN HEISSEN.«
    Und Johannes wieder leise: »Tut mir leid, dass ich dich nicht am Bahnhof abgeholt habe.«
    Und ich wieder extra laut: »ACH JA? WIRKLICH?«
    Ich mustere ihn von oben bis unten mit dem abschätzigsten Blick, der mir zur Verfügung steht. Seine hellblonden Haare kleben ihm am Kopf fest, sein langärmliges T-Shirt klebt ihm am Oberkörper fest und seine Jeans macht das Gleiche an den Beinen. Tja. Ich gehe dann mal gemächlich rüber in mein Zimmer, um mir etwas Trockenes anzuziehen. Man weiß ja noch

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