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Leute, mein Herz glueht

Titel: Leute, mein Herz glueht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Hennig Lange
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traurig. »Bist du betrunken?«
    »Geht so.«
    Und mir bricht es das Herz. Ich würde ja jetzt auch gerne einfach bei ihm bleiben und mich mit ihm aufs Hochbett legen, Musik hören und besoffen ein paar Zigaretten rauchen. Aber wenn man mit dem Leben anfängt, muss man es auch in Ordnung halten. Denke ich. Aber witzig: Mache ich nicht gerade genau das Gegenteil? Leute, ich habe echt Schwierigkeiten, mich zu konzentrieren. In meinem Kopf dreht sich alles und irgendwelche Stimmen quatschen voll laut durcheinander. »Lelle! Lelle! Was machst du nur? Was machst du nur?!« Die Stimmen werden immer lauter und bedrohlicher und die Nachbarn verschwimmen vor meinen Augen und geraten in ihren festlichen Kleidern in Schieflage. Jetzt zündet der Wein aber richtig rein, Leute! Ich muss sagen: Besoffen sein ist nichts für mich. Da hat man ja echte Probleme, sich - wie Mama sagen würde - zu fokussieren.
    Ich gebe meinem Freund einen ordentlichen Kuss und streiche ihm verliebt über die Wange. Dabei lalle ich: »Arthur. Ich liebe dich so sehr. SO SEHR!«
    Cotsch glotzt mich fragend an und auch Helmuth wirkt leicht verwirrt. Kann ich ja verstehen. Die haben meine fliegenden Männerwechsel schließlich hautnah miterlebt. Hauptsache, Helmuth denkt nicht, dass ich genauso eine bin wie Cotsch - beziehungsweise, dass das bei uns eine erbgutbedingte Sache ist. Ich hebe also die Hand und sage mit so einem beruhigenden Augenzwinkern und einem kleinen Stolperer gegen Helmuths Anzugbrust: »Alles im grünen Bereich. Ich weiß, was ich tue.«
    Cotsch starrt mich durchdringend an, aber Helmuth, ganz der Pragmatiker, vertraut mir und meint: »Na dann, viel Erfolg.«
    Genau in dem Moment quetscht sich die dicke Dorle mit Gérard-Michel hinter uns vorbei und meint total schnippisch: »Helmuth! Die Frau bringt dich ins Grab! Da sei dir gewiss.«
    In mir fängt es langsam an zu brodeln, aber noch bevor ich etwas sagen kann, lächelt Gérard-Michel verlegen, ganz wie es seine Art ist, und dampft mit seiner Tonne in Richtung Ausgang ab. Eigentlich ist er sehr nett. Er mag mich sogar richtig gerne - er ist, wie gesagt, Soziologieprofessor - und wir hatten schon ein paar philosophische Gespräche bei diversen Straßenfesten, bei denen es um die existenziellen Fragen des Lebens ging. Aber seit der Geschichte mit Cotsch haben wir uns ein bisschen auseinander gelebt. Wie auch immer. Meine mondäne Schwester reagiert gar nicht auf Dorles offene Provokation. Sie meint nur: »Die ist ja total frustriert.«
    Dann schwebt sie rüber zu ihrer Erzfeindin Susanna, die gerade brav die leeren Weingläser einsammelt. Dort angekommen, meint sie für alle gut hörbar: »Susanna! Dein Samtkleid ist der Hammer! Der Hammer!«
    Dabei ist das so ein altes, mottenzerfressenes Lumpending, das vermutlich in seinen besseren Tagen als Vorhang vor einem Salonfenster hing. Ich schätze, Cotsch will ihre Kontrahentin moralisch weich kochen, damit Susanna bei den anstehenden Schulklausuren versagt und Cotsch sie links überholen kann. Cotschs größter und geheimster Traum ist es nämlich, ihr Abitur mit Sonderauszeichnung zu machen und ganz oben auf dem Siegertreppchen zu stehen. Ein bisschen tut mir Susanna aber auch leid. Sie hat dieses hässliche Kleid und die Segelohren, und einen Mann wird sie vermutlich auch nie finden. Und wenn doch, wird Rita ihn mit ihrer Art sofort wieder vertreiben. Aber Cotsch ist nicht zu bremsen. Sie quatscht einfach weiter: »Wirklich, sehr vorteilhaft, dein Dress!«
    Susanna blinzelt irritiert in der Gegend rum. Leute, ich muss sagen: Es wäre eine gute Idee, jetzt aufzubrechen - bevor die Sache eskaliert. Ich winke also noch mal eilig in die Runde. »Gute Nacht, Kameraden!«
    Und schon habe ich die Cotsch-Susanna-Szene aus dem Ruder gebracht und wieder meine angestammte Retterrolle eingenommen. Manchmal komme ich mir echt vor wie Superwoman mit Beziehungsproblemen. Egal. Helmuth und Arthur winken auch in die Runde und dann braucht Helmuth nur noch Cotsch zärtlich am Oberarm zu packen und sie mit sich nach draußen zu zerren. Im kalten Hauch der Nacht und dem gelblichen Licht der Eingangsleuchte legt er ihr sein Jackett liebevoll um die Schultern und meint: »Komm, Bella. Wir gucken uns noch was richtig Romantisches auf DVD an.«
    Und bevor ich mich vor lauter Überforderung an Cotschs Schulter klatschen kann, um sie kräftig nass zu heulen, ziehen die beiden wie auf Wolken durch den Garten davon, am Springbrunnen vorbei, und hinter ihnen steigt

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