Leute, mein Herz glueht
klingeln und Alina irgendwie per Handzeichen verklickern müssen, dass sie stark unter Liebeskummer zu leiden hat - sonst wundert sich Arthur. Wie ich Alina allerdings einschätze, wird sie überhaupt nicht schnallen, was ich von ihr will. Ich sehe sie schon vor mir. Ihre Haare werden wieder in alle Richtungen abstehen und dann wird sie fragen: »Hä? Lelle! Ich habe doch gar keinen Liebeskummer.«
Und dann wird sowieso alles rauskommen. Und Arthur wird sich stumm umdrehen und gehen. Aus Alinas Vorgarten, aus der Zeit, in die schwarze Nacht hinein. Und ich werde ihn nie wiederfinden. Mir wird gerade echt heiß und kalt, und ich überlege, ob ich mich nicht besser vom Moped fallen lassen sollte, um durch schwere Verletzungen von meinem Komplott abzulenken. Aber je schneller Arthur fährt, desto besser fühlt es sich an, einfach sicher hinter ihm zu sitzen. Trotzdem bin ich froh, dass Arthur mein Gesicht gerade nicht sehen kann. Ich würge. Der Rotwein kommt mir hoch. Der Fahrtwind bläst mir ins Gesicht. Meine Haare fliegen zurück. Die glänzenden Autos, die frisch poliert unter den Laternen am Straßenrand geparkt sind, ziehen wie Silberschweife an uns vorbei. Wir zwei allein. Im Fahrtwind. Arthurs Haarspitzen wehen mir ins Gesicht. Heute Nacht ist die Luft noch einmal warm. Und freundlich. Und dann brausen wir in den wehenden und wogenden Wald hinein. Das gelbe Vorderlicht schiebt sich über die holprige Erde des Trampelpfades. Wir fliegen über die Wurzeln, tief hängende Äste streifen unsere Schultern. Wir schlingern. Arthur gleicht das Gleichgewicht geschickt wieder aus. Das Motorengeräusch ist laut, und ich bete zu Gott, dass ein Wunder geschieht.
»Du kannst absteigen.«
»Was?«
»Du kannst absteigen. Wir sind da.«
Ich steige ab. Und Arthur steigt ab. Ich habe ganz weiche Knie. Ich taumle ein bisschen hin und her. Richtig komisch fühlt sich das an, festen Boden unter den Füßen zu haben.
Arthur fasst mich am Oberarm und hält mich. »Alles in Ordnung?«
»Jep.«
»Na, dann komm.«
Arthur geht vor, den Bürgersteig hinauf und wirft seinen Kopf in den Nacken. Das macht er, damit ihm seine Haare nicht vor dem Gesicht rumhängen. Sehr lässig. So latschen wir durch Alinas quietschende Gartenpforte. Auf Höhe des ersten Gartenzwerges halte ich allerdings schon wieder an und tippe Arthur auf die Schulter. »Ich glaube, es ist besser, wenn ich allein mit Alina rede.«
»Okay. Dann warte ich.«
Arthur gibt mir einen Kuss auf den Mund, ganz zärtlich, und flüstert: »Ich warte da vorne.«
Er zeigt auf das Bushaltestellenhäuschen auf der anderen Straßenseite. Es steht unter einer herbstlichen Kastanie, die im Schein der milchigen Straßenlaterne richtig mysteriös wirkt. Ein Käuzchen ruft in den Zweigen. Arthur ist echt der gutgläubigste Mensch dieser Welt. Weil er selbst nur Gutes tut. Ich nicke und presse meine Lippen zusammen. Leute, mich zerreißt die Lüge. Man darf mit Betrug gar nicht erst anfangen. Aus der Nummer kommt man nie wieder raus. Man kann sich einfach nur noch schämen. Sein Leben lang, und es wird immer schlimmer mit dem Schämen, je netter und verständnisvoller derjenige ist, den man anlügt und betrügt. Okay. Und das Schlimmste ist: Man weiß nicht mal, warum man es tut. Man sucht nach Erklärungen, aber findet keine Rechtfertigung. Das haut den stärksten Mann aus den Latschen.
Ich atme tief ein, lächle endlich und sage: »Ich beeile mich.«
Dann quetsche ich mich an Arthur vorbei, in Richtung Alinas Eingangstür, und zum Glück brennt oben in ihrem Dachzimmer und im Wohnzimmer noch Licht. Wahrscheinlich zieht sich die Familie gemeinsam mit ihren beiden Yorkshireterriern wieder Volksmusiksendungen rein. Arthur verschwindet in die andere Richtung, die Pforte im Jägerzaun knarrt und fällt dann ins Schloss. Ich steige die Stufen hoch und drücke auf den Klingelknopf im selbst gestalteten Salzteigschild.
Ich höre schlurfende Schritte und leider öffnet Alinas Mutter die Tür. »Lelle? Was machst du denn hier?«
Sie hat eine voluminöse Föhnhaube auf dem Kopf, bei der rechts und links zwei merkwürdige Griffe mit Knöpfen runterhängen. Auf dem Arm hat sie diese ekligen Hündchen, die oben auf den Köpfen rosa Spängchen im Fell haben. Dazu trägt Alinas Mutti einen Jogginganzug in Tannengrün. Sehr wohnlich.
Ich schlucke und versuche, meinen Blick zu halten. »Ich …ich müsste dringend mit Alina sprechen. Ist die da?«
»Ja, sicher. Die darf ja so spät nicht mehr
Weitere Kostenlose Bücher