Leute, mein Herz glueht
zusammen: »Was? Wirklich! Ja, aber wieso denn?«
Und ich weiß, dass das definitiv keine Neuigkeit für sie ist. Das hat sie doch schon längst bei EDEKA an der Kasse von irgendwelchen anderen gesprächigen Tanten aus der Nachbarschaft erfahren. Die Ladys können nichts für sich behalten. Darunter leidet besonders Mama, weil Cotsch zu den beliebtesten Gesprächsthemen zählt. Kann man sich ja denken. Von wegen: »Hast du gehört? Die Tochter von Ulla hat schon wieder einen treu sorgenden Ehemann verführt.« Derweil glupscht Dorle hasserfüllt zu Cotsch rüber, die ihren Blick huldvoll über die Menge schweifen lässt. Unter uns: Sie ist und bleibt die Schönste von allen. Kein Wunder, dass Dorle so aussieht, als würde sie Cotsch am liebsten bei lebendigem Leibe häuten. Helmuth scheint das auch zu finden, also, dass seine Verlobte die Schönste ist. Gleich zieht er sie ein bisschen enger an sich ran und glotzt ihr auf die gut gestützten Titten, die oben aus dem Dekolleté rausquellen. Ich schwöre, am liebsten würde er sich an denen festsaugen. Doch als hätte Mama seine Lust gespürt, kommt sie durch die angetüdderte Menge angestürmt und fragt aufgeregt: »Und? Wie geht es euch so?«
Damit meint sie mich oder Arthur, der sich nun angeregt mit Helmuth und Cotsch unterhält. Die halten ihm voller Stolz ihre opulenten Verlobungsringe unter die Nase und meinen: »Ja, ja, in Las Vegas. Noch in diesem Herbst.«
Ich grinse Mama sweet an und sage, möglichst ohne zu lallen: »Äh, Arthur geht nach Hause und ich muss noch kurz was klären.«
Gleich hakt sie sich bei mir unter und zieht mich mit schockerstarrtem Gesichtsausdruck hinter Ritas heiliger Orgel. »Wie? Was? Jetzt willst du noch wohin? Es ist dunkel draußen!«
Ich zucke mit den Schultern. »Kann ich ja auch nichts dafür.«
»Ja, und wenn dich einer …na, du weißt schon. Unsittlich anfasst?«
Wurde ich heute schon, könnte ich jetzt sagen. Mache ich aber nicht. Ich hole tief Luft, um weiterhin entspannt zu bleiben, und melde mit leierndem Unterton in der Stimme: »Mir passiert schon nichts.«
»Ja, und was willst du klären?«
Ich hickse: »Die Angelegenheit mit Johannes.«
Das ist das Stichwort für Mama, in ihrer Handtasche nach dem Pillenröhrchen zu fahnden. Bevor sie das Ding aus der Tasche zieht, blickt sie sich nach allen Seiten um. Dann stopft sie sich zwei von den Pillen rein und spült sie mit einem ordentlichen Schluck Rotwein runter. Echt ungewöhnlich für Mama. Sie ist doch sonst total dafür, Psychopharmaka und Alkohol zu trennen.
Sie räuspert sich. »Weiß Arthur von ihm?«
Ich hickse schon wieder. »Bist du wahnsinnig?«
»Ja, und wo triffst du dich mit Johannes?«
»Bei ihm zu Hause.«
»Kann er nicht zu uns kommen?«
»Sehr witzig.«
Mama nickt unruhig und wartet, dass die Pillen anfangen zu wirken. So lange lässt sie ihre feministischen Thesen vom Stapel: »Na klar, das junge Mädchen muss wieder hinfahren. Das ist typisch. Die Männer rühren sich nicht. Die warten, bis man zu ihnen kommt.«
Ich drehe mich vorsichtig nach Arthur um, weil Mama inzwischen vollkommen vergessen hat, ihre Stimme angemessen zu dämpfen. Ich murmle: »Mama. Ich trenne mich von ihm. Da wäre es wohl etwas komisch, ihn zu bitten, zu diesem Zweck zu mir zu kommen. Im Übrigen muss Arthur das ja nicht alles hautnah mitbekommen. Richtig?«
»Kannst du das nicht auf morgen verlegen?«
»Nein.«
Ich gebe Mama einen Kuss, wobei ich schon wieder hicksen muss. Dann schwofe ich zu Arthur, Helmuth und Cotsch rüber. Leider werde ich erst jetzt gewahr, dass Corinna die ganze Zeit über auf der anderen Seite der Orgel gelehnt und ihre frisch lackierten Nägel betrachtet hat. Ich warne sie: Sollte sie etwas von dem konspirativen Gespräch zwischen Mama und mir mitbekommen haben und sollte sie nur ein Sterbenswörtchen in der Nachbarschaft über meine Beziehungsproblematik verlauten lassen, bringe ich sie um. Außerdem verbreite ich dann überall, dass sie unheilbar am Borderline-Syndrom erkrankt ist und nur noch lügen kann. Das glaubt mir jeder. Man muss sich diese rosarote Trine doch nur mal angucken, da schnallt man sofort, dass die nicht ganz koscher ist.
Ich werfe Corinna einen letzten bitterbösen, warnenden Blick zu und dann drücke ich mich eng an Arthur ran. So unverfänglich wie möglich lalle ich ihm ins Ohr: »Sorry, aber ich muss noch mal kurz zu Alina rüber. Der geht’s nicht gut. Die hat Liebeskummer.«
Arthur nickt ein bisschen
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