Level 26 – Dunkle Offenbarung
ihnen, mit dem Rätsel in der Hand.
»Du kennst die Lösung des Rätsels?«, fragte Dark.
»Auf dem Internat, auf dem ich erzogen wurde, musste ich auch eine Handarbeitsklasse besuchen«, sagte sie. »Und nichts sticht so wie eine Nadel. Die Frage ist nur, wen Labyrinth in etwas mehr als zwei Stunden stechen möchte?«
»Wenn er seinem Muster treu bleibt, dann sucht er sich jemanden aus dem Finanzsektor, der sich irgendeiner vermeintlichen Verfehlung schuldig gemacht hat. Wir brauchen eine Liste von Wall-Street-Typen, die bei zwielichtigen Hinterzimmergeschäften jede Menge Kohle gescheffelt haben.«
»Großartig«, sagte Natasha. »Das wird eine lange Liste.«
»Wir können sie weiter einschränken. Denk an die vier ersten Opfer. Sie alle hatten Geheimnisse, die Labyrinth aufgedeckt hat. Die Schauspielerin und der Produzent, die des Inzests schuldig waren. Der Manager der Ölfirma, der den Planeten zugrunde richtet. Talbot und ihre Unterschlagung. Auch diesmal wird es jemand sein, den man noch nicht erwischt hat. Vielleicht sind gegen ihn schon Ermittlungen im Gange, und dadurch hat Labyrinth von ihm erfahren und ihn als Opfer ausgewählt. Aber die Öffentlichkeit weiß bisher nichts darüber.«
»Ich lasse O’Brian die Daten der Börsenaufsichtsbehörde durchgehen. Wie können wir es sonst noch eingrenzen?«
»Vergessen wir nicht, dass Labyrinth eine Vorliebe für Berühmtheiten hat. Er wählt Opfer aus, die sich hervorragend eignen, um ein Exempel zu statuieren. Er hofft darauf, dass die Leute ihm zujubeln, weil sie das Opfer ebenfalls hassen und es gerne leiden sehen. Also wird sein Opfer prominent sein. Vielleicht nicht unbedingt in der breiten Öffentlichkeit, aber in jedem Fall auf der Wall Street. Da müsste er praktisch ein Rockstar sein.«
»Über eine Sache allerdings stolpere ich bei diesem Rätsel immer wieder«, sagte Natasha.
»Und das wäre?«
»Der Teil, in dem es heißt, dass er niemals gegen Männer antritt, aber das Blut der Damen vergießt. Vielleicht ist der Mann, nach dem wir suchen, ein notorischer Schürzenjäger?«
Dark nickte. »Das könnte sein. Oder das genaue Gegenteil. Ein prüder Mensch, der seine Marotten verborgen hält. Und Labyrinth versucht sie ans Licht zu zerren.«
38.
LABYRINTH
Zeige mir einen Mann ohne ein Laster, und ich zeige dir einen Lügner.
Shane Corbett ist ein Lügner.
Er ist stolz auf die Tatsache, dass er nicht trinkt.
Er raucht nicht.
Er nimmt keine Drogen.
Er verkehrt nicht mit Huren.
Er schaut sich keine Pornos im Internet an.
Er isst keine ungesunde Kost.
Er betrügt nicht einmal bei den Steuern.
Dennoch …
Shane Corbett hat ein Laster.
Er ist nur sehr, sehr gut darin, es vor der Welt zu verbergen.
Aber nicht vor mir.
Ich kann jedermanns Geheimnisse ans Licht bringen.
Ich sitze an einem Tisch im vorderen Teil des Restaurants, allein. Ich schlürfe einen Latte macchiato, als Shane Corbett eintritt. Er trägt einen schwarzen Regenschirm unter dem Arm und hält ein schmales weißes Telefon in der Hand. Er sieht unduldsam aus. Er ist hier zu einem wichtigen Geschäftsessen verabredet. Ich weiß das, weil ich derjenige bin, der dieses Mittagessen arrangiert hat – über eine meiner vielen falschen Identitäten.
Ich habe angerufen und den Tisch reserviert.
Es ist ein ganz spezieller Tisch – der gefragteste in diesem Etablissement.
Und erst vor wenigen Minuten bin ich an diesem Tisch vorbeigegangen und habe eine nicht nachweisbare Flüssigkeit in Shane Corbetts Wasserglas gedrückt.
Shane Corbett, der keinerlei Laster hat, ist ein absoluter Fanatiker, wenn es um Wasser geht. Er trinkt es zwanghaft, als ob die Flüssigkeit das Übel fortspülen könnte, das seine Adern zerfrisst. Ha!
Shane Corbett wird zu seinem Tisch geleitet und wählt genau den Platz, den ich vorhergesagt habe. (Shane Corbett hasst es, mit dem Rücken zum Eingang zu sitzen.) Nachdem er der Empfangsdame seinen schwarzen Schirm gereicht hat, ohne sie dabei auch nur eines Blickes zu würdigen, glättet er mit seinen langen manikürten Fingern ein paar kleinere Falten in der Tischdecke. Er schaut immer wieder auf die Uhr.
Und dann nimmt er einen großen Schluck Wasser.
Schon ein kleiner hätte ausgereicht.
Hätte ich etwas so simples wie einen Mord im Sinn gehabt, so hätte ich sein Leben in diesem Augenblick bereits auslöschen können.
Aber ich habe etwas Besonderes im Auge für Shane Corbett, den Mann ohne Laster.
Schauen Sie ihn sich an.
Er nimmt die
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