Level 4 07 - 2049
etwas zugestoßen war, war es ihre Schuld. Weshalb war sie nicht in den Schacht gestiegen und hatte ihre eigene Prognose selbst überprüft? Wieso hatten sie nicht reiflicher über diese Fluchtmöglichkeit nachgedacht? Wie konnten sie nur so unvorsichtig sein?
Miriam fühlte sich hundeelend.
Neue Rätsel
Die entsetzliche Stille wurde durch die schönsten Laute vertrieben, die man sich in diesem Moment vorstellen konnte.
»Hört ihr mich?«, rief die Stimme Franks, als käme sie aus einer Konservendose.
Als handelte es sich bei den Sitzgelegenheiten um heiße Herdplatten, sprangen die Kinder auf, stürzten zur Klappe in der Wand und brüllten in den Schacht hinein: »Ja! Natürlich! Wir hören dich! Alles in Ordnung bei dir?«
»Es stinkt entsetzlich!«, antwortete Frank, der offenbar tatsächlich in einem vollen Müllcontainer gelandet war. »Um mich herum ist alles eklig und matschig. Bäh. Und klebrig!«
»Super!«, freute sich Miriam. »Wir kommen!«
Thomas glaubte sich verhört zu haben. Worüber freute die verrückte Miriam sich? Von einer stinkenden Brühe war da die Rede und Miriam jubelte, als stünde ihnen der Sprung in einen erfrischenden Swimmingpool bevor.
Miriam winkte ab. »Hauptsache, wir fallen weich und kommen hier raus!«
Thomas ergab sich wieder einmal in sein Schicksal. Was sollte er auch anderes machen?
Miriam ließ ihren Worten sofort Taten folgen. Bevor irgendjemand wieder etwas einzuwenden hatte, entledigteauch sie sich des Bademantels, krabbelte entschlossen in den Schacht und ließ sich in die Tiefe plumpsen.
Nach ihr sprangen Jennifer, Thomas und Ben; in dieser Reihenfolge.
Ben hatte darauf bestanden, dass Thomas vor ihm dran war, damit dieser es sich nicht schließlich noch anders überlegte und allein übrig blieb.
Frank hatte nicht übertrieben. Die Landefläche war ein Ekel erregender, übel riechender Matsch, als ob jemand rote Grütze mit Kotze vermischt und das Ganze mit Tapetenkleister angedickt hätte. Nur stank es noch erheblich schlimmer.
»Was haben die hier denn für Müll?«, fragte Miriam, während sie mehrfach hintereinander ausspuckte, weil sie bei der Landung den Mund nicht richtig geschlossen hatte. Sie wurde den Eindruck nicht los, nicht in einer einfachen Mülltonne, sondern dort gelandet zu sein, wo die Eingeweide irgendwelcher Labortiere entsorgt wurden. Aber diesen Gedanken behielt sie lieber für sich.
»Biomüll!«, sagte Jennifer.
Miriam erschrak. Hatte Jennifer etwa denselben Gedanken gehabt?
Doch Jennifer stellte gleich richtig, was sie meinte: »Es scheint so, als würde der ganze Müll sofort biologisch entsorgt«, vermutete sie, »wie in einem Komposthaufen!«
Thomas bekam sofort ein flaues Gefühl im Magen. Er war in einem Misthaufen gelandet?
Ben sah sich die stinkende Masse eher interessiert als angeekelt an. Wenn Jennifer Recht hatte, handelte es sich um eine sensationelle Erfindung. Denn schließlich waren sie alle Zeuge gewesen, als der Haushaltsroboter die Glasscherben in die Klappe geworfen hatte. Dieser Müllschlucker war also keineswegs nur für Biomüll gedacht. Mit anderen Worten: Die Bakterien, die sich in diesem Misthaufen befanden, konnten offenbar alles – auch nicht-organisches Material – kompostieren! »Die reinsten Plastik- und Glasfresser!«, stellte er ehrfurchtsvoll fest.
Thomas war entsetzt. Angewidert betrachtete er die Brühe, in der er schwamm. So langsam wie die Brühe in seinen Kragen sickerte in ihm die Erkenntnis, dass er gerade ein Vollbad in seltenen, alles fressenden Bakterien nahm. Schlimmer noch: Kompostieren bedeutete, die Bakterien fraßen den Abfall, verarbeiteten ihn und schieden verwertbaren Kompost wieder aus. So hatten sie es jedenfalls im Unterricht gelernt. Weniger wissenschaftlich ausgedrückt hieß das, er badete gerade in einem Becken voller Bakterienscheiße! Thomas paddelte hysterisch durch die Klebemasse wie ein Ertrinkender, kreischte und schrie. Wenn diese Bakterienviecher sogar Plastik fressen konnten, dann konnten die bestimmt auch gut Menschenfleisch kompostieren. Kaum hatte dieser Gedanke ihn erfasst, fühlte er beinahe auch schon, wie die ersten Miniviecher genüsslich an seinem Bein knabberten.
»Ich will raus hier!«, jammerte er.
Miriam lachte ihn aus, nahm eine Hand voll Stinkschlammund knallte ihn Thomas auf den Kopf. Der schmierige Matsch sabberte an Thomas’ Schläfen herunter, was ihn vollends aus der Fassung brachte. Er schlug wild um sich, schüttelte sich und
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