Level 4.2 - Zurück in der Stadt der Kinder
. was du gefunden hast!«, beendeten die anderen den Satz im Chor.
Thomas war ein notorischer Zuspätkommer. Er war berühmt für seine Langsamkeit – und für seine Sammelleidenschaft. Aus Angst,
irgendetwas zu übersehen, das auf der Straße lag und das »umsonst war und man sich nur zu nehmen« brauchte, wie er immer sagte,
bewegte er sich stets nur mit gesenktem Kopf und im Schneckentempo.
Doch diesmal brauchten die anderen nicht lange auf Thomas’ sensationelle Enthüllung zu warten. Er hatte die Arme voll gepackt
und breitete die Fundstücke auf dem Tisch aus: drei Regenschirme, fünf Handys, drei elektronische Organizer, vier Schachteln
Zigaretten,drei Feuerzeuge, mehrere Bücher und sogar zwei Geldbörsen und eine Taschenuhr.
»Ey, der hat nichts gefunden, der hat ‘nen Bruch gemacht!«, wieherte Achmed, der gerade vom Klo kam.
»Das habe ich alles gefunden!«, versicherte Thomas.
Kolja schraubte sich den Zeigefinger gegen die Stirn. »Wo willst du denn das alles gefunden haben?« Er öffnete eine der Geldbörsen
und fand siebzig Euro darin.
»Auf der Straße!«, beharrte Thomas. »Das alles hier lag auf dem Weg. Ganz bestimmt. Manches an der Bushaltestelle und . .
.«
»Und das gehörte keinem?« Auch Jennifer kamen Thomas’ Fundstücke höchst merkwürdig vor. »Da hat niemand was gesagt?«
Thomas zuckte mit den Schultern. »War ja keiner da!«
Böse Entdeckung
Kolja griff sich das zweite Portemonnaie, in dem sich noch mehr Geld befand. Er pfiff laut durch die Zähne. »Einhundertfünfunddreißig
Euro!«, posaunte er heraus.
»Ich weiß!«, sagte Thomas. Natürlich hatte er sich die Zeit genommen und längst nachgesehen.
»Krass, ey!«, rief Achmed. »Damit kann man ja richtig Party machen, ey!«
Jennifer riss Kolja die Geldbörse aus der Hand. »Nix da! Das Geld wird zurückgegeben. Das Portemonnaie enthält vielleicht
einen Ausweis mit Namen und Adresse.«
Achmed zog eine Schnute, aber er schwieg. Jennifer hatte recht, fand er, aber schade war es trotzdem.
Die Unterrichtsstunde lief bereits seit fünfundzwanzig Minuten, aber von Mathelehrer Möller fehlte nach wie vor jede Spur.
Kathrin hatte draußen nach ihm gesehen und kam verwirrt wieder herein. »Kein Lehrer ist da!«, rief sie in die Klasse. »Nicht
einer! Alle Schüler hocken in ihren Klassenräumen oder stehen auf dem Schulhof. Aber weit und breit kein Lehrer zu sehen.
Auch im Lehrerzimmer ist niemand. Im Büro auch nicht!«
»Krass, ey!«, freute sich Achmed. »Die Lehrer habensich in Luft aufgelöst! Vielleicht geht ‘ne fette Krankheit um, die alle Lehrer augenblicklich pulverisiert und . . .«
»Halt mal kurz das Maul, Achmed!«, befahl Kolja.
Achmed wollte gerade etwas erwidern, hielt dann aber inne. Die Mienen seiner Mitschüler schienen ihm plötzlich auffällig ernst.
»Was habt ihr denn, ey?«, fragte er.
Er schaute über die Schulter nach hinten, ob er irgendetwas übersehen hatte. Doch da war nichts. »Ey?«, setzte er nach.
»Das hatten wir schon mal!«, antwortete ihm Miriam.
»Was?«, fragte Achmed. »So eine fette Lehrerkrankheit?«
Miriam schüttelte den Kopf. »Schlimmer!«, sagte sie. »Alle waren weg!« Sie machte eine Pause, sah in die Gesichter ihrer Freunde,
die an dieselbe Geschichte dachten.
»Du hast doch nicht etwa das Spiel gespielt?«, fragte Jennifer Ben mit ihrem kritischsten Blick. Sie wusste, Ben würde sich
jetzt keine Lüge erlauben. Nicht einmal eine Notlüge. »Bist du verrückt?«, entrüstete sich Ben. »Ich besitze es gar nicht
mehr. Das Spiel hat Thomas damals mit in seine Garage genommen. Stimmt’s, Thomas?«
Thomas nickte.
»Bist du sicher, dass es noch in der Garage ist?«, fragte Jennifer nach.
Thomas zuckte mit den Schultern.
Alle wussten, wovon Jennifer sprach. Bis auf Achmed. Er war erst später in die Stadt gezogen.
»Wovon sprecht ihr?«, fragte er.
Niemand antwortete ihm. Sie sahen sich alle nur ernst an.
»Das glaube ich nicht!«, flüsterte Jennifer. »Bitte lass es nicht geschehen sein!«
»Nein, nein!«, wiegelte Ben sofort ab. Er hielt es für unmöglich, dass sich jemand in Thomas’ Garage zu schaffen gemacht haben
sollte, um das alte Spiel herauszusuchen. Dann aber fiel ihm sein Weg in die Schule ein. Hatte er denn wirklich keinen einzigen
Erwachsenen gesehen, kein fahrendes Auto? Er konnte sich nicht erinnern.
»Am besten, wir schauen nach!«, schlug Miriam vor.
Kaum hatte sie es ausgesprochen, waren alle schon
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