Level 4.2 - Zurück in der Stadt der Kinder
Chaos!
Die Bilder baumelten schräg von den Wänden oder waren bereits ganz abgefallen. Das ganze Foyer lag noch voller Stroh, das
Norbert mit seinen Wagen verloren hatte. Die Kanone hing noch halb aus zerborstenen Glasfenstern, über den Boden kullerten
Perlen, Stoffreste lagen auf den Treppen, Kleidung der Kinder lag ebenso überall herum wie Essenreste, Coladosen und jede
Menge anderer Müll. Die Übernachtung und die Schlacht hatten ihre Spuren hinterlassen.
»Nie und nimmer bekommen wir das in zehn Minuten aufgeräumt!«, war Kolja sich sicher. »Das können wir abhaken!«
»Wer spricht von aufräumen?«, entgegnete Thomas. »Von Eröffnung war die Rede, nicht von aufräumen!«
Kolja wunderte sich, wie Thomas angesichts der dramatischen Situation so ruhig bleiben konnte. Aber zehn Minuten schienen
für ihn wohl eine Ewigkeit zu sein. Obwohl doch gerade er wissen musste, wie wenig er in zehn Minuten zustande brachte.
»Trommle draußen alle Kinder zusammen, die du finden kannst«, bat Thomas in aller Seelenruhe.
»Du hast eine Idee?«, fragte Kolja.
»Wollen wir es hoffen!«, antwortete Thomas.
»Im Museum passiert nichts!«, blökte Ben den Monitor an. »Mann, Thomas, komm in die Strümpfe!«
»Nur noch sieben Minuten!«, erinnerte Frank, obwohl Ben die Zeit sehr genau im Blick hatte.
Die Schule lief nach wie vor.
In der Bibliothek streiften die ersten Kinder durch die Regale und schauten sich um.
»Nehmt irgendwas!«, fuhr Jennifer sie an.
Doch so einfach war das nicht.
»Pöh!«, wehrte sich ein Mädchen. »Ich lese doch nicht jeden Schrott. Hier: Science-Fiction, das interessiert mich nicht die
Bohne!«
Jennifer war kurz davor, auszurasten. »Das geht dich mehr an, als du ahnst. Was glaubst du, weshalb alle Erwachsenen weg sind
und wo du dich gerade befindest?«
Das Mädchen ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, legte ein Pferdebuch beiseite und begann, in einem Liebesroman zu blättern.
Jennifer versuchte ihr Glück bei einem Jungen. »Du magst doch Science-Fiction, oder?«
»Klar!«, strahlte der Junge. »Aber das kenne ich alles schon!«
Jennifer fasste sich an den Kopf. »Und du?«, fragte sie den Dritten.
»Ich lese keine Bücher!«, behauptete der stolz.
»Aha!«, machte Jennifer, griff ein Vampirbuch aus dem Regal, presste es dem Jungen gegen die Brust und zischte ihn an: »Ausleihen!
Lesen!«
»Wieso?«, meckerte der Junge.
»Weil du sonst nichts mehr über Vampire lesen musst. Ich werde dir nämlich höchstpersönlich das Blut aus den Adern saugen!«,
giftete sie den Jungen an.
Das überzeugte den Jungen und er lieh sich das Buch aus.
»Geht doch!«, freute sich Jennifer.
»Geht doch!«, rief auch Ben, als er sah, wie das Kreuz verschwand.
»Die Bibliothek ist aktiviert!«
Fehlte nur noch das Museum, vor dem sich gerade dreißig Kinder versammelten.
Nur noch fünf Minuten!
»O Mann!«, stöhnte Ben. »Ich schaffe die Umprogrammierung nicht mehr, wenn Thomas sich nicht endlich beeilt!«
»Wie soll er das denn machen?«, fragte sich Frank.
Thomas war die Ruhe selbst. »Verlorenes und Gefundenes!«,rief er den Versammelten zu. »Von den einen einst fortgeworfen, als wertlos eingestuft und achtlos liegen gelassen, von anderen
Jahre, Jahrzehnte oder erst Jahrhunderte später wiederentdeckt, aufgehoben, gesammelt, gepflegt, katalogisiert und ausgestellt,
damit auch wir – liebe Anwesende . . .«
Kolja trat von einem Bein aufs andere. Die Sekunden verrannen und Thomas hatte nichts Besseres zu tun, als eine Ansprache
zu halten.
Nur noch vier Minuten und fünfundvierzig Sekunden.
». . . Zeugen werden vergangener Tage, eine Vorstellung bekommen vom Leben vor unserer Generation, der unserer Väter, Großväter
und Urgroßväter . . .«
». . . und Großmütter«, kam ein Zwischenruf.
»Mann, sülz hier nicht rum!«, zischte Kolja leise.
»Aber wer will entscheiden . . .«, führte Thomas fort.
»Vier Minuten!« Ben ließ sich resigniert gegen die Lehne fallen. »Ich hab’s befürchtet: Thomas schafft es nicht!«
»Und Kolja ist zu dämlich!«, ergänzte Frank. »Dem fällt auch nichts ein.«
». . . was aufhebenswert ist und was nicht«, redete Thomas weiter auf die Versammelten ein. »Immer nur die Professoren? Nein!
Wir, die nachfolgende Generation selbst, sollen nun am Zuge sein, unsere Museen selbst zu gestalten!«
»Ich weiß nicht, was er vorhat!«, jammerte Kolja insHandy. Frank hörte ihm zu. »Er labert und labert und
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