Level 6 - Unsterbliche Liebe
eine Gabe habe. Doch ich hatte nicht genug Zeit, um mich wirklich auf ihn zu konzentrieren. Also habe ich ihn einfach gefragt. Er hat mir die Wahrheit gesagt. Ich glaube ihm.“
Der grimmige Ausdruck auf Jonathans Gesicht beruhigte mich nicht gerade. Mein Herz fing an, wild zu rasen.
„Ich verstehe.“ Er strich sich über den kurzen Kinnbart.
„Was verstehen Sie?“
Ich schaute zur Tür. Wartete Rogan noch immer dort draußen? Oder hatten die Männer ihn weggeschleift? Er konnte nicht weit entfernt sein. Mein Chip sendete kein Alarmsignal aus, somit schien keine Gefahr zu bestehen, dass wir uns mehr als dreißig Meter voneinander entfernen würden.
Jonathan schwieg so lange, dass meine Nervosität ins Unermessliche wuchs.
„Jonathan! Was begreifen Sie?“, wiederholte ich etwas lauter.
„Es steht mir nicht zu, darüber zu reden. Genau genommen bin ich schon viel zu lange geblieben. Ich sollte mir nur dein Bein ansehen und dir dann mitteilen, dass das nächste Level ein Belohnungslevel ist.“
„Mir ist eine Belohnung egal – es sei denn, es handelt sich um eine Fahrkarte in die Kolonie und raus aus diesem Spiel.“ Meine Stimme klang schrill und schroff. „Was verheimlichen Sie mir? Was wissen Sie über Rogan?“
Er schüttelte den Kopf. „Ich muss gehen.“
Ich packte ihn am Arm und bemühte mich, ihn etwas freundlicher und sanfter anzublicken. „Ich habe Sie gelesen, Jonathan. In Ihnen steckt ein guter Mensch – egal, zu was dieser Gareth Sie zwingt. Doch wenn es etwas gibt, das ich über Rogan wissen sollte …“ Ich hasste es, die Frage zu stellen, doch … „Er … Er ist für diese grauenvollen Taten nicht verantwortlich, oder?“
Ich fürchtete, dass ich mich zum totalen Idioten gemacht hatte, weil ich angefangen hatte, ihm zu trauen, obwohl ich sonst niemandem vertraute. Ich fürchtete, dass ich mich zum totalen Idioten gemacht hatte, weil ich auf mein Herz gehört hatte. Mein Herz war verschlossen gewesen, seit meine Familie ermordet worden war, aber irgendwie hatte es sich gegenüber Rogan ein kleines bisschen geöffnet.
„Ich kannte Rogan“, entgegnete Jonathan. „Schon bevor dieser Irrsinn begonnen hat. Sein Vater und ich waren Freunde.“
Meine Augen wurden groß. „Ich hatte das Gefühl, dass Sie sich kennen würden. Ich habe es bemerkt, während Sie ihn wegen seiner Verletzung behandelt haben.“
Er nickte knapp und fing an, in dem sterilen weißen Raum auf und ab zu laufen und die Hände zu ringen. „Ich habe Rogan zum ersten Mal vor zwei Jahren getroffen, als sein Vater ihn zu mir gebracht hat. Er sollte an einem dreißigtägigen Programm teilnehmen, das ich für Kerometh-Abhängige angeboten habe.“
Ich atmete scharf ein. Kerometh war seit der Plage die gefragteste Droge. Teuer, jedoch leicht zu besorgen und einzunehmen. Ich hatte sie nie ausprobiert, aber ich hatte gehört, dass sie den Konsumenten in einen Zustand der Bewusstseinstrübung führte. In eine tiefe, unbekümmerte Glückseligkeit. Allerdings hielt dieser Zustand nur kurz an – höchstens ein paar Stunden. Danach litt man augenblicklich an schmerzhaften Entzugserscheinungen, die ohne eine erneute und sofortige Verabreichung der Droge wochenlang dauern konnten. Wenn die Person den Stoff nicht bekam, ergriffen Gewaltbereitschaft und unbändiger Zorn – der sogenannte Kerometh-Rausch – die Kontrolle über den Konsumenten.
„Gut, dann war er also abhängig“, meinte ich. „Das sind viele Menschen. Das bedeutet nicht, dass er es verdient, nach St. Augustine’s geschickt zu werden. Oder nach Saradone. “
Jonathan sagte einen Moment nichts. „Es gibt einen Grund, warum ausgerechnet du auserwählt worden bist, Rogans Partnerin zu sein, Kira. Hier bleibt nichts dem Zufall überlassen.“
„Er hat diese Mädchen nicht umgebracht. Er kann es nicht getan haben.“ Ich versuchte, den dicken Kloß herunterzuschlucken, der sich in meinem Hals gebildet hatte. „Wagen Sie es nicht, zu behaupten, dass er mich angelogen hat.“
Jonathan schüttelte den Kopf. „Nein … Er hat dir die Wahrheit erzählt. Die Morde an den neun armen Mädchen waren nicht sein Werk. Er wurde für das Verbrechen verhaftet und verurteilt, obwohl die angeblichen Beweise nicht eindeutig waren. Doch wegen seiner Akte, in der der Drogenbesitz und mehrere kleinere Verbrechen vermerkt waren, schien es dem Gericht nichts auszumachen, wie dürftig die Beweislast war.“
Erleichterung durchströmte mich. „Also ist er
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