Level 6 - Unsterbliche Liebe
der rechten Seite entdeckte ich ein riesiges Himmelbett. Auf der linken Seite führte ein Bogengang in das geräumige Badezimmer. Durch das Panoramafenster konnte ich den Sonnenuntergang in Rot, Orange, Pink und Gelb über einem sich friedlich kräuselnden See beobachten. Bäume wiegten sich sacht in einer sanften Brise. Wo war ich? In der Stadt gab es keinen Ort wie diesen.
Ich trat näher und berührte das Fenster. Das Bild fing an, zu flackern. Es war augenblicklich klar, dass es sich gar nicht um ein Fenster handelte, sondern um einen Monitor – zehnmal größer als der, den meine Familie einst besessen hatte. Jetzt erblickte ich den Schlitz, wo die Disc mit den Bilddateien eingelegt wurde.
So echt. So perfekt. Ich war komplett darauf reingefallen.
Auf dem Tisch neben dem Plasmabildschirm war ein Festmahl aufgebaut wurden, wie ich es noch nie gesehen hatte. Obst, Brot, Roastbeef, Hummer, Shrimps, Käse. Eine große Flasche Wein stand in einem silbernen Kühler und war von Eiswürfeln umgeben. Ich streckte die Hand aus, die, wie ich feststellte, zitterte, und nahm mir eine grüne Traube. Zaghaft steckte ich sie in den Mund und biss die knackige Hülle durch. Die Süße der Frucht schien in meinem Mund regelrecht zu explodieren. Ich fühlte mich, als hätte ich seit Tagen nichts mehr zu futtern bekommen. Und das stimmte ja auch. Ich hatte wirklich nicht viel gegessen. Und erst recht nicht so etwas wie das hier.
Am Ende von Level vier warte eine Belohnung, hatte Jonathan mir erklärt.
Das hier war meine Belohnung. Etwas zu essen und ein bisschen Privatsphäre. Mir war nicht klar gewesen, wie hungrig ich war, bis ich dieses Mahl erblickt hatte.
Mein Magen zog sich vor Sorge zusammen, während meine Gedanken wieder zu Rogan wanderten. War er auch in einem Zimmer wie diesem?
Nach einer weiteren Minute, in der ich mich sorgte, gewann mein Hunger.
Ich fing an, das Essen in meinen Mund zu schaufeln. Käse, Cracker, mehr Trauben. Das Weinglas beachtete ich gar nicht, sondern schnappte mir gleich die Flasche, setzte sie an und trank gierig von dem gekühlten Wein. Vor ein paar Monaten hatte ich mal ein paar Schnapsgläser mit schlechtem Wodka getrunken. Einige Bekannte hatten in einem verlassenen Haus eine halbe Flasche von dem Zeug gefunden. Wein hatte ich allerdings noch nie probiert. Er war süßer als der Wodka und rann so leicht wie Wasser meine Kehle hinab.
Nachdem ich mir den Bauch vollgeschlagen hatte und mich auf etwas anderes konzentrieren konnte, ging ich ins Bad. In der Tür blieb ich stehen und rang nach Luft. Ein Schaumbad war für mich eingelassen wurden. Die Wanne war voll und sah einladend aus. Ein süßer, blumiger Duft erfüllte die dampfende Luft – wie Rosen, die in Honig getaucht worden waren.
Ich schaute mich um, warf einen Blick über die Schulter und suchte den Raum, nach Kameras ab, allerdings konnte ich keine ausmachen.
Hatte Jonathan die Wahrheit gesagt, als er mir erzählt hatte, dass ein Teil meinerBelohnung aus etwas ungestörter Zeit für mich allein bestand? Das wäre zu schön, um wahr zu sein. Mein Misstrauen bewirkte nur, dass mein voller Magen in Aufruhr geriet.
Einige Minuten lang tigerte ich noch in der Suite auf und ab und erwartete das Unvermeidliche. Ich wartete darauf, dass aus dem Nichts die Digicams auftauchten.
Doch es passierte nichts.
Ich fragte mich zum x-ten Mal, wo Rogan stecken mochte. Mein Implantat gab kein Warnsignal von sich. Sofern sie unsere Chips nicht deaktiviert hatten, konnte er nicht weiter als dreißig Meter von mir entfernt sein.
Allmählich nahm ich einen unschönen Geruch wahr. Bestürzt wurde mir klar, dass ich es wahr, die so unangenehm müffelte. Zwei Tage lang war ich gerannt und hatte geschwitzt. Selbst nach einer Regendusche roch ich noch fürchterlich.
Schließlich ließ ich den Bademantel auf den Boden gleiten und stieg in die Badewanne. Ich seufzte wohlig auf. Es war so lange her, dass ich ein richtiges Bad genossen hatte. Ich hatte nur schnell geduscht, wann immer sich mir die Möglichkeit geboten hatte. Das hier war die reinste Wonne. Noch immer paranoid, dachte ich immer noch, dass gleich eine der silbernen Digicams angeflogen kam und mich nackt filmte, aber es herrschte nur herrliche Stille.
Am Wannenrand entdeckte ich eine Shampooflasche. Ich verteilte etwas Shampoo in meiner Handfläche und sank dann ins Wasser, um mein Haar auszuspülen.
Nachdem ich fertig war, kletterte ich aus der Badewanne, trocknete mich ab und
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