Level X
warten – bis sein W ert sich m öglicherweise verdreifacht hätte. Damals war Richard fuchsteufelswild gewesen, inzwischen war die ganze E p isode längst vergessen, eine lange zurückliegende, unbedeutende Niederlage.
Der Portier tele f oni e rte m it Emmas Sprechstun d enhil f e.
Richard nahm den Auf z ug. I m dritten Stock folgte er den Pfeilen in Richtung Gebäuderückseite, w o sich die preiswerteren Apart m ents ohne schöne Aussicht befanden. Eine Minute vor sechs stellte er sich Emmas fr e undlicher Sprechstundenhilfe vor, eine F r au u m die sechzig, die ihn bat, eine W eile zu wart e n, während sie durch eine Riffelglastür verschwand.
Richard setzte sich und sah sich in dem eintönigen, funktionell eingerichteten W artezimmer u m . In der Mitte stand ein Tisch m it abgegr i ffenen Magazinen darauf und in der Ecke ein verschlossener Aktenschrank. Den einzi g en Farbtupfer bil d ete eine Vase m it roten und gelben Tulpen am Ende des Empfangsschalters. Ich fragte m i ch, ob die Sprechstundenhilfe oder Em m a sie dort hingestellt hatte. Ich fragte m i ch auch, ob diese Praxis Teil von Em m as Privatwohnung war. Richard hielt das für höchst wahrscheinlich. Er kannte die Grö ß e solcher Apart m ents. Für die Zeit, in der sie gebaut worden waren, waren sie erstaunlich groß. W as m i ch zu der Frage führte, ob Emma all e in le b t e.
Die Sprechstundenhilfe kam zurück und bat R i chard in Em m as Bü r o. Es war angenehm groß und besaß eine beinahe private At m o s phäre, aber etwas daran k a m Richard seltsam vor, ohne dass er genau hätte sagen können, was. Mir jedoch fiel es kurz darauf auf: Es gab keine Bücher, nur Stapel dicker Mappen. Einige waren geöffnet, und ich erkannte in Braille-Schrift beschriebene Seiten.
Em m a stand neben ihrem Schreibtisch und lauschte darauf, dass ihr Besucher e i ntrat. Als sie die Tür hörte, streckte sie die Hand aus und setzte ihr e i nstudiertes, aber dennoch aufric h tiges, herzliches W illkom m ensl ä cheln auf. Während sie sich begrüßten, e n tdeckte Ric h ard in einer Ecke des Zim m ers einen schlafenden gelbbraunen Labrador m it Blindengeschirr.
»Ich hoffe, Sie haben nichts gegen Hunde«, sagte Em m a.
»Falls doch, m acht es ihm nichts aus, in der Wohnung weiterzuschlafen. Er kann überall schlafen.«
Richard antwortete, im Gegenteil, er m öge Hunde sehr gern, auch wenn er selbst kei n en hätte. Emma bat ihn, Platz zu n e h m en.
»Ich danke Ihnen, dass Sie ein Treffen ermöglichen konnten«, begann Richard, als E mm a sich hinter ihren Schreibtisch gesetzt hatte. » N icht, dass ich Proble m e hätte, aber ich glaube, Sie könnten m i r helfen. Manch m al nagt noch im m er dieses Gefühl an m i r, dass …«
Er hielt inne, als er sah, wie Emmas Ha n d sich in Richtung ihres Tonbandgerätes bewegte, das vor ihr auf dem Tisch stand. Sie hatte nicht versucht, die Bewegung zu verbergen, und verstand sofort, warum er aufhörte zu reden.
»Ist es Ihnen lieber, w e nn ich das Tonband nicht einschalte?«
»Ja, wenn es Ihnen nichts aus m acht.«
»Das Gerät dient einzig und a l lein dazu, m i r bei m einen Notizen in einem Fall zu helfen. Aber wenn ich Sie recht verstehe, haben wir hier gar keinen Fall. «
»Ich glaube nicht«, sagte er und lachte unbekümmert,
»aber ich werde m i ch ganz Ihrem Urteil beugen.«
Ich war beeindruckt von der Art und W eise, wie er die Situation m eisterte, und das sagte ich ihm auch. Er bedankte sich bei m i r und m einte, ich könne überneh m en, sobald er m it seiner Ein f ührung zu Ende sei.
»Vielleicht bilde ich es m i r nur ein«, fuhr er fort, »oder es handelt sich um eine Art Echo, ein Überbleibsel des posttrau m atischen Erlebnisses … S i e m üssen verzeihen, aber ich furchte, m i r fehlen die richtigen Fachbegriffe.«
»Sie m achen das sehr gut«, versicherte Em m a ih m .
»Fahren Sie fort, und benutzen Sie einfach nur Ihre eigenen W o rte.«
»Nun, es ist so, dass ich … dass ich m anchmal dieses Gefühl habe – und m ehr ist es nicht –, dass ich m i ch noch nicht so ganz von diesem anderen Leben, diesem eingebildeten Rick befreit habe, wie ich es gerne m öchte. Das soll nicht heißen, dass ich S tim m en hö r e oder so, nichts, was m ein nor m ales L e ben irgendwie durcheinander bringt. Aber ich m uss einfach … na ja, ich vermute, dass ich einfach ganz sichergehen m uss.«
»Und was genau erwarten S i e von m i r, Richard ? « Ihr bewusster Gebrauch d er Anrede
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