Level X
zurück in ihre Erinnerungen, lassen sie die Din g e wieder m it dersel b en Intensität erleben wie beim ersten Mal. Und m ehr verlange ich doch auch nicht. Lassen Sie m ic h m eine Erinnerungen an den Ort, von dem ich kom m e, lebhafter e m pfinden als das Hier und Jetzt! Ich bin sicher, d ass das d en Ausschlag geben und m i ch – vielleicht – zurückbringen könnte.«
Eine weitere Pause. Dann: »Okay, ich w erde es versuchen. Ich beherrsche eine Hypnosetechnik, die ich bei blinden Patienten anw e nde, und da Richard ja die
Augen geschlossen hat, werde ich sie an Ihnen ausprobieren.«
»Sie könnten ihn die Augen öffnen lassen.«
»Nein, das ist nicht dasselbe. Er sie h t m it seinen Augen, aber Sie empfinden nur, was er sieht. Das ist ein Unterschied.«
Diese Frau war unglaublich! Sie verstand alles! Doch dann fiel m i r ein logischer Einwand ein.
»Ich höre die Dinge auch nicht anders, als ich sie sehe.
Ich kann nur empfinden, was Richard hört.«
»Das ist richtig«, antwortete sie, ohne zu zögern, »aber ich glaube n i cht, dass d a s etwas aus m acht.« Jetzt lief all e s wie am Schnürchen, und wir verstanden einander wie ein eingespieltes Tea m . »Wichtig ist«, fuhr sie fort, »dass ich Sie und Richard klar vonein a nder getrennt halte, indem ich Sie und ihn auf unterschiedlichen W egen hypnotisiere. W i e auch immer – es ist, wie S i e schon sagten: W i r werden es nicht wissen, bevor w i r es nicht probiert haben.«
Die Prozedur begann m it einem pulsierenden, elektronisch erzeugten Ton vom Band. Ich weiß nicht, welche Lautsprecher Em m a benutzte, aber sie waren se h r gut. Ebenso wenig weiß ich, ob sie die Lautstärke langsam stei g erte o d er ich m i ch einfach nur stärker konzentrierte – wie auch i mm er, innerhalb kürzester Zeit war m ein ganzes Bewusstsein m it diesem Ton ange f üllt. Es war wie ei n e Art sch m erzlose, an- und a b schwellende Migräne, die jeden Gedanken im Keim erstickte und alles von m i r abschottete, all e s bis a uf Emmas Stim m e. Mir war d e r genaue Rhyth m us b e wusst, m it dem sie sprach, ihre gleich m äßige Modulation. So ähnlich hatte sie auch zu Richard gesprochen. Doch dies m al spürte ich selbst ihre verführerische Kraft, war nicht m ehr nur ein interessierter, außen stehender Beobachter.
Ich glitt in einen seltsa m en Zustand ab, seltsa m er noch als der, in dem ich die letzten Monate ver b racht hatte. Bereits körperlos, wurde ich nun auch willenlos. Meine ganze W ill e nskra f t ord n ete s i ch ei n em größeren Ganzen unter, über das ich keine Macht hatte.
Plötzlich hörte ich m i ch sel b st reden. Oder, um genauer zu sein: Ich hörte eine Sti mm e, Richards Stim m e, die für m i ch sprach. Em m a hatte m i r ei n e Frage ge s t ellt, u n d Richard antwortete ihr. Es war eine ehrliche Antwort, und sie kam von m i r, auch wenn ich nicht verstand, wie ich sie Richard v er m ittelte.
Ich lauschte und hörte eine Beschreibung jener ersten Stunden, als ich nach dem Unf a ll im Krankenhaus wieder zu m i r gekommen war. Dinge fielen m i r wieder ein, ein Detail führte zum anderen, während Richards Stim m e versuchte, Schritt zu halten, was aber nicht gelang. Sie verstum m te, und ich h atte pl ö t zlich das überwältigen d e Gefühl, wieder z u rück zu sein, dort im Kr a nkenhaus, zerschlagen, halb betäubt und immer wieder in eine Fantasievorstellung verfall e nd, die ich einen Augenblick lang für wahr gehalten hatte.
Dann hörte ich wieder Emmas S t im m e – kl a r, sanft, unnachgiebig. Sie führte m i ch weiter zur ü ck. Zurück in die Bewusstlosigkeit. Z urück in die Dunkelheit, die diese Welt von jener anderen, das Hier und Jetzt von der Vergangenheit trennte. Und ich wusste m i t absolute r , erschrecke n der Gewis s heit, wo ich am Ende landen würde.
Plötzlich, gerade als ich die Nerven zu verlieren begann, spürte ich, dass ich nicht allein war. Ich weiß nicht, woher ich das wusste. Es war kei n e vage Ahnung, sondern eine absolute G e wissheit. J e m and redete m it m i r. Es war nicht E m ma. E s war überhaupt keine Stimme i m herköm m lichen Sinne. Es w a r ein anderes Bewusstsein. Richard!
Richard, der angeblich in Trance lag, ins Abseits gedrängt, bis Emma entsc h eiden würde, ihn wieder aufzuwecken, hatte uns die g anze Zeit ü b er b eobachtet, hatte uns beide getäuscht.
»Es funktioniert«, sagte e r . »Du gehst zurück. Genau, wie du es wolltest.«
»Ich fürchte m i ch«, sagte ich.
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