Level X
»O m ein Gott, ich ha b e fürchterliche Angst. Ich bin so allein, ich h a lte das nicht aus. Hilf m i r!«
Irgendein Damm schien in ihm zu b r echen. Unterdrück t e Wut brach aus ihm hervor, wie Glut aus einem explodierenden Vulkan, und s c hleuderte m i ch Hals über Kopf in den langen, dunklen Korridor, den zu betreten ich m i ch so gefürchtet hatte.
»Lass m i ch los, du Parasit! I ch will dich n i cht hi e r haben! Lass los!«
Und plötzlich wusste ich m it schrecklicher Sicherheit, was geschehen würde! Mit einem Mal verstand ich seine Bereitschaft, zu Emma zu gehen, und das m it einer Geschichte, die, wie er wusste, absurd klingen musste und bei der er G efahr lief, sich l ächerlich zu m achen. So etwas küm m erte ihn längst nicht m ehr.
»Richard!«, schrie ich. »Tu es ni c ht! Dein Z o rn! T u’ s nicht! Gib ihm nicht nach!«
»Das geht dich verdammt noch m al gar nichts an!«, brüllte er zurück. Sein Zorn hallte durch die lange, gehei m nisvolle, spiegelglatte Schwärze. »Geh zurück in dein eigenes Leben. Um m eines kümmere ich m i ch selbst!«
» W irf es nicht einfach so weg!«, schrie ich zurück, unsicher, ob er m i ch durch das T osen seiner Gedanken hören konnte – jener schrecklichen, düsteren, rachsüchtigen, depri m ierenden Gedanken. »Besorg dir keine W aff e !«
Der Lärm verstum m te, verwandelte sich übergangslos in eine nicht minder erschreckende, betäubende Stille.
Es war noch i m m er dunkel, aber es war eine andere Art von Dunkelheit. Es war die Dunkelheit hinter m einen Lidern, welche ich vor d e r unerträglichen Wahrheit verschlossen hatte.
Ich öffnete die Augen. Mein Schrei, geboren aus Sch m erz und wildem Trotz dem Schicksal gegenüber, hing noch immer in der Luft. Das Blut meiner Frau klebte dick und rot an m einen Händen.
Anne saß vor m i r, eingeklem m t in dem zertrümmerten W rack ihres W agens. In ihren glasigen Augen lag der starre Ausdruck des Todes.
8
Fre m de H ä nde zogen m i ch sanft zur Seite. Taktvoll schweigend, führte m a n m i ch fort von jen e m Bild des Grauens, das m einen Blick gefangen hielt und sowohl m einen Verstand als auch m eine Glieder läh m te.
Eine Frau hielt Charlie fest. Seine Augen waren starr auf m i ch gerichtet, erwartungsvoll. W i e betäubt fragte ich m i ch, was er wohl von m i r erwartete. Dass ich alles wieder ins rechte Lot brac h te? Dass ich ihm sagte, er brauche sich nicht zu fürchten, alles sei in Ordn u ng? Alles sei nur ein Spiel? Hei ß e W ut packte m i ch. W u sste er, wie grausam solche Erwartungen sein konnten? Und doch tat ich n i chts anderes, als v orwärts zu stolpern, die A r m e um ihn zu schlingen und m i ch Trost suchend an ihn zu klam m ern, m ein eigenes Schluchzen in den Ohren.
Jetzt wusste er Bescheid. Nun verstand er, dass es kein Spiel war.
W i r waren seltsam losgelöst von alle m , was um uns herum geschah. Entscheidungen wurden auf später verschoben. Raum und Zeit lösten sich um uns herum auf. W i e Puzzlestei n e fügten sich die Ereignisse, die solchen Katastrophen unweigerlich f olgt e n, zu ei n em Bild. Irgendwann wurde m i r bewusst, dass ich die Fragen eines m it f ühlenden Poli z ist e n beantwo r tet e : »Hamilton. Ja, m eine Frau. Anne. Der Anfangsbuchstabe des zweiten Vorna m ens ist E, für Elizabeth. Long Chi m neys, Chapel Plains … Ja, wenn Sie uns dort hinbringen könnten …«
Ich sah, dass eine Polizist i n Charlie beiseite gezogen hatte und ihn festhielt. Sie hatte ihre Mütze abgenommen. Struppiges blondes Haar fiel i h r in die Stirn und m achte ihre Gesichtszüge weic h er. Sie re d ete m it Charlie, lenkte ihn ab.
Dann brachte s i e i h n zu m i r zurück, s tieg ab e r zusam m en m it uns in den W agen, der uns nach Hause bringen sollte.
»Einen Anruf …? Oh, danke, wenn Sie das überneh m en könnten … Bitte rufen Sie … rufen Sie bitte m einen Anwalt an, Harold Allison.«
Ich lehnte jegliche m edizinische B ehandlung ab. Meine Furcht, den letzten, hauchdünnen Bezug, den ich zur Realität hatte, auch noch zu verliere n , war größer als m ein Bedürfnis nach Trost und Erleichterung. Ich wusste – und begriff es doch nicht –, was um m i ch herum vo r ging.
»Es ist der Schock«, versuchte ich m i r einzureden.
»Rede nicht, reagiere einfach nur. Beantworte Fragen. Ja. Nein. W ären Sie so nett? D a nke. Das ist sehr freundlich.«
Harold traf ein. Er war aschfahl. Ich saß da, m it einer Tasse Kräutertee, die m i r
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