Leviathan - Die geheime Mission
grüne Haut der Eidechse regelrecht zu leuchten.
Sie sprach in vornehmem Ton und hatte für so einen kleinen Körper eine unheimlich tiefe Stimme. »Mr Sharp, vermute ich?« Die Eidechse kicherte kehlig.
Baff, wie sie war, hätte Deryn beinahe geantwortet. Natürlich wiederholte die Boteneidechse nur das, was einer der Offiziere oben gesagt hatte.
»Beste Grüße von der Leviathan «, fuhr sie fort. »Entschuldigen Sie bitte unsere Verspätung. Wir hatten leider schlechtes Wetter.« Die Eidechse gab ein Geräusch von sich wie ein Mann, der sich räuspert, und Deryn erwartete halb, das Tier würde die Hand vor den Mund nehmen. »Aber am Ende haben wir es doch noch geschafft. Wir möchten Sie natürlich auf der Dorsalseite hereinholen – Standardverfahren.«
Die Eidechse machte eine Pause, und Deryn fragte sich, was »Dorsalseite« wohl bedeuten mochte.
»Ach ja. Mir wurde gesagt, Sie seien noch ein Frischling. Gut gemacht, gleich beim ersten Flug verloren zu gehen.«
Deryn verdrehte die Augen. Zuerst hatte sie ein Sack voll Gas und Insektendärmen durch halb England befördert, und jetzt musste sie sich auch noch Frechheiten von einer brüllenden Eidechse anhören!
»Ich gehe davon aus, dass Sie das Standardverfahren nicht kennen. Nun, es ist recht einfach, wirklich. Wir lassen uns unter Sie sinken, dann kommen wir unter Ihnen hoch und ziehen Sie mit der Dorsalwinde ein. Irgendwelche Fragen?« Die Boteneidechse starrte sie erwartungsvoll an und blinzelte mit den kleinen schwarzen Äuglein.
»Keine Fragen, Sir. Ich bin bereit«, sagte Deryn und erinnerte sich gerade rechtzeitig daran, in ihre Jungenstimme zu verfallen. Sie würde nicht zugeben, dass sie keine Ahnung hatte, was »dorsal« hieß.
Die Boteneidechse rührte sich nicht, blinzelte nur nochmals.
»Also … Standardverfahren?«, fügte sie hinzu.
Die Eidechse wartete kurz, aber da Deryn nichts mehr sagte, kletterte sie wieder am Seil hinauf, um die Worte demjenigen am anderen Ende zu überbringen, wer immer das sein mochte.
Eine Minute später wurden alle anderen Seile eingeholt, und das mit dem Gurtzeug verknotete erschlaffte noch mehr. Es hing schließlich so weit außer Sicht, dass sie das Ende nicht mehr sehen konnte, vermutlich eine Viertelmeile lang. Dann erwachten die leerlaufenden Motoren des Luftschiffs wieder zum Leben.
Der riesige Schatten zog sich gegen den Wind zurück und die Sonne kam hinter der Nase wieder zum Vorschein und blendete Deryn. Daraufhin sank das Luftschiff tiefer und ließ mit lautem Zischen Wasserstoff ab, bis die Offiziere auf der Brücke auf gleicher Höhe mit Deryn und nur zwanzig Meter von ihr entfernt waren.
Einer lächelte und salutierte zackig und Deryn erwiderte den Gruß.
Die Leviathan sank weiter, und der Huxley heulte leise auf, als neben ihnen ein riesiges Auge erschien.
»Jetzt machst du mir aber keinen Kummer mehr«, murmelte Deryn. Sie beobachtete alles sehr genau, bemerkte, wie der riesige Harnisch des Luftschiffs um den Körper gespannt war und die Gondeln hielt. Die Riemen waren durch ein Netz aus Seilen verbunden, wie die Takelage
eines Segelschiffs. Eigenartige sechsbeinige Tiere kletterten neben den Männern der Crew in den Seilen herum und schnüffelten an der Haut des Flugtieres.
Das mussten die Wasserstoffschnüffler sein, über die sie gelesen hatte, die die Membrane nach Lecks absuchten.
Als die riesige, silberne Leviathan neben sie glitt, sah Deryn, dass das andere Ende ihres Seils mit einer Winde auf dem Rücken des Tieres verbunden war. Mit »dorsal« meinten die beim Service also schlicht »Rücken«.
Die Winde war klein und bestand aus Aluminium, damit sie so leicht wie möglich blieb, wie alles an Bord eines Luftschiffs. Zwei Männer bedienten sie und holten das schlaffe Seil rasch ein. Bald wurden Deryn und ihr nervöser Huxley auf den silbernen Rücken der Leviathan herabgezogen.
Einige Minuten später hatten ein halbes Dutzend Männer die Tentakel der Meduse gepackt und sie nach unten geholt. Deryn wurde aus ihrem Gurtzeug befreit und trat mit tauben Beinen auf die glitschige Oberfläche der Leviathan.
»Willkommen an Bord, Mr Sharp«, sagte der junge diensthabende Offizier.
Deryn versuchte, aufrecht zu stehen, doch ein Blitz aus Schmerz schoss ihr den Rücken hinunter. Sie bewegte die Zehen in Jasperts Schuhen und bemühte sich damit, das Kribbeln ihrer eingeschlafenen Füße zu beseitigen.
»Danke, Sir«, brachte sie hervor.
»Geht es Ihnen gut?«, erkundigte sich
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