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Leviathan - Die geheime Mission

Leviathan - Die geheime Mission

Titel: Leviathan - Die geheime Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Keith; Westerfeld Andreas; Thompson Helweg
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vielleicht hatte sie sich tatsächlich für einen Micker ausgeruht.
    Eine Boteneidechse huschte an ihr vorbei und ruckte ihre Saugfüße aus der Membran wie Finger, die in Karamell festkleben. Das Tier hielt nicht an, um den Kadetten Befehle zu überbringen, sondern flitzte auf dem Weg zum Rückgrat einfach vorbei. Auf dem gesamten Schiff herrschte Gefechtsalarm, an den Webeleinen baumelte die Mannschaft und in der Nachtluft wimmelte es von Vogelschöpfungen.
    In der Ferne konnte Deryn Lichter auf dem dunklen Meer ausmachen. Die H.M.S. Gorgon war ein Schiff der Royal Navy, ein Krakentender, der das Übungsziel der heutigen Nacht im Schlepptau hatte.
    Mr Rigby musste es ebenfalls gesehen haben, denn er rief: »In Bewegung bleiben, ihr faulen Säcke! Die Fledermäuse warten auf ihr Frühstück!«
    Deryn biss die Zähne zusammen und griff nach dem nächsten Seil – das ist eine Webeleine, Torfkopp! – und zog sich so kräftig sie konnte nach oben.
     
    Die Kadettenprüfung war natürlich nicht schwierig gewesen.
    Den Vorschriften des Service zufolge sollte die Prüfung auf dem Boden stattfinden, doch Deryn hatte schamlos gebettelt, damit sie zumindest vorübergehend auf dem Schiff Kadett sein durfte. An ihrem dritten Tag auf der Leviathan hatten die Offiziere schließlich nachgegeben.
Während draußen die Türme von Paris am Fenster vorbeizogen, zeigte sie, dass sie mit dem Sextanten umgehen konnte, entzifferte ein Dutzend verschiedene Kombinationen von Signalflaggen und las Karten, was ihr Dad ihr bereits vor ewigen Zeiten beigebracht hatte. Das hatte sogar bei dem säuerlichen Bootsmann Mr Rigby einen Ausdruck der Anerkennung aufs Gesicht gezaubert.
    Seit der Prüfung war Deryn die Selbstgefälligkeit allerdings ein wenig vergangen. Wie sich herausstellte, wusste sie längst nicht alles über Luftschiffe. Noch nicht jedenfalls.
    Jeden Tag rief der Bootsmann die jungen Kadetten zum Unterricht in die Offiziersmesse. Überwiegend ging es ums Fliegen: um Navigation, Treibstoffverbrauch, Wettervorhersage, um endlose Knoten und die Signalfolgen der Bootsmannspfeife. Sie zeichneten die Anatomie des Luftschiffes so oft auf, dass Deryn dessen Innereien ebenso gut kannte wie die Straßen von Glasgow. An den besseren Tagen lernten sie Militärgeschichte: die Schlachten von Nelson, die Theorien von Fischer und die Taktik im Kampf Flugtier gegen Oberflächenschiffe und Landstreitkräfte. Manchmal spielten sie an den Tischen auch Gefechte gegen leblose Zeppeline und Flugzeuge des Kaisers aus.
    Doch Deryns Lieblingsunterricht war es, wenn die Eierköpfe ihnen Naturphilosophie erklärten. Wie der alte Darwin herausgefunden hatte, auf welche Weise man neue Spezies aus den alten erzeugen konnte, wie man die winzigen Lebensketten herausholt und sie unter einem Mikroskop miteinander verbindet. Wie die Evolution
eine Kopie von Deryns eigener Lebenskette in jeder Zelle ihres Körpers abgelegt hatte. Wie sich die Leviathan aus zig verschiedenen Tieren zusammensetzte – von mikroskopisch kleinen Wasserstoff furzenden Bakterien im Bauch bis zum großen Wal in seinem Harnisch. Wie die Wesen des Luftschiffs und der Rest der Natur sich permanent verbanden und bekämpften, in einem vertrackt verwickelten Gleichgewicht.
    Die Lektionen des Bootsmanns waren nur ein Bruchteil dessen, was Deryn in ihrem Oberstübchen unterbringen musste. Jedes Mal, wenn ein anderes Luftschiff vorbeiflog, kletterten die Kadetten aufs Signaldeck und lasen die Mitteilungen, die in der Ferne mit flatternden Flaggen aufgezogen wurden. Sechs Wörter in der Minute ohne Fehler oder man wurde für lange Stunden zum Dienst in die Magenregion versetzt. Einmal in der Stunde wurde die Höhe der Leviathan gemessen, indem man ein Luftgewehr abschoss und die Zeit maß, bis das Echo vom Meer widerhallte, oder indem man eine leuchtende, mit phosphoreszierenden Algen gefüllte Flasche hinunterwarf und stoppte, wie lange es dauerte, bis sie zerschellte. Deryn hatte gelernt, wie man in einem Micker abschätzte, wie viele Sekunden ein Objekt brauchte, um verschiedene Distanzen herabzufallen, von hundert Fuß bis hin zu zwei Meilen.
    Doch das Seltsamste daran war, dass sie die ganze Zeit spielen musste, ein Junge zu sein.
    Jaspert hatte recht gehabt. Ihre Dinger waren nicht
das Schwierigste daran. Wasser hatte ein großes Gewicht, deshalb wurde das Waschen an Bord mit Lappen und Eimern erledigt. Und die Toiletten auf der Leviathan (»Kump«, wie die Flieger dazu sagten) befanden sich in

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