Leviathan - Die geheime Mission
»Gibt es Krieg?«
»Man möchte fast meinen, es wartet auf uns«, sagte Graf Volger.
»Sehen Sie den Ausguck?« Klopp zeigte auf einen hohen Mast, der sich aus dem Kanonendeck der Fregatte erhob. Zwei winzige Gestalten standen auf der Plattform
an der Spitze. »So ein Ausguck gehört nicht zur Standardausrüstung.«
»Und die Männer dort blicken in unsere Richtung, nach Österreich«, stellte Bauer fest. Die Pilotenkanzel war voll besetzt und die anderen drei hatten sich um Alek geschart wie zu einem Familienporträt. »Ich bezweifele, dass die dort stationiert sind, um uns vor einer Invasion zu schützen.«
»Nein, die sollen unsere Flucht verhindern«, sagte Alek und nahm den Feldstecher herunter. »Dank meiner wussten die, dass wir in die Schweiz wollen.«
Graf Volger zuckte mit den Schultern. »Wohin sollten wir uns sonst wenden?«
Vermutlich hatte er recht, dachte Alek. Da sich der Krieg jeden Tag weiter ausbreitete, war die Schweiz gegenwärtig das einzige neutrale Land – die letzte Rückzugsmöglichkeit für Flüchtlinge und Deserteure.
Trotzdem erschien es ihm nicht fair, dass diese Landfregatte jetzt vor ihnen stand. Über einen Monat lang waren sie kreuz und quer durch Österreich gelaufen, waren nachts stundenweise durch die Wälder geschlichen.
Sie waren gejagt worden, beschossen worden, sogar von einem Flugzeug im Sturzflug angegriffen worden. Ganze Tage hatten sie damit verbracht, Teile und Treibstoff von landwirtschaftlichen Maschinen oder Schrottplätzen zu ergattern, gerade genug, damit der Sturmläufer den Weg fortsetzen konnte. Und schließlich hatten sie das Tor erreicht, das in die Sicherheit führte, nur um dann festzustellen, dass eine riesige Metallspinne davorhockte.
Bestimmt würde sich die Herkules sobald nicht von hier fortbewegen. Unter ihren Motoren war ein Kommandozelt aufgeschlagen, und ein sechsbeiniger Frachtläufer wartete darauf, Nachschub und Ablösung zu holen.
»Wie weit sind wir von der Grenze entfernt?«, erkundigte sich Alek.
»Wir haben sie direkt vor der Nase«, meinte Bauer und zeigte an der Fregatte
vorbei. »Die Berge da hinten gehören schon zur Schweiz.«
Klopp schüttelte den Kopf. »Sie könnten genauso gut auf dem Mars stehen. Wenn wir uns zu einem anderen Pass aufmachen, brauchen wir eine Woche dafür.«
»Das würden wir niemals schaffen«, meinte Alek und tippte auf die Kerosinanzeige. Die Nadel zitterte um die mittlere Markierung und ein halb voller Tank würde höchstens ein paar Tage reichen.
Treibstoff war schwierig zu besorgen, nachdem Alek sich in Lienz so dumm benommen hatte. Kundschafter zu Pferde überwachten die Straßen, Zeppeline patrouillierten am Himmel, und alles nur, weil er sich wie ein verzogenes Bengelchen benommen hatte.
Aber zumindest hatte Volger mit einer Sache recht behalten. Prinz Aleksandar von Hohenberg war nicht in Vergessenheit geraten.
»Wir können sie nicht meiden«, entschied Alek. »Also müssen wir an ihr vorbei.«
Klopp schüttelte den Kopf. »Sie ist dafür konstruiert, Verfolger abzuwehren, junger Herr. Die großen Kanonen befinden sich in den vorderen Türmen – sie kann uns beschießen, ohne sich zu drehen.«
»Ich habe nicht gesagt, wir kämpfen gegen sie«, erwiderte Alek. Klopp und Volger starrten ihn an, und er fragte sich, weshalb sie so schwer von Begriff waren. Er seufzte. »Bevor das alles losging, hat da einer von Ihnen schon einmal einen Läufer bei Nacht gelenkt?«
Klopp zuckte mit den Schultern. »Zu gefährlich. In den Balkankriegen fanden alle Läuferschlachten bei Tageslicht statt.«
»Genau«, sagte Alek. »Wir hingegen haben ganz Österreich in der Dunkelheit durchquert. Wir haben eine Fertigkeit erworben, die ansonsten niemand auch nur einzuüben wagt.«
» Sie haben das Nachtwandern erlernt«, sagte Klopp. »Mit meinen alten Augen bringe ich das nicht zustande.«
»Unfug, Klopp. Sie sind immer noch der bessere Pilot.«
Der Mann schüttelte den Kopf. »Bei Tageslicht vielleicht. Aber wenn wir nachtwandern wollen, sollten Sie die Schreiter bedienen.«
Alek runzelte die Stirn. Während des letzten Monats hatte er immer geglaubt, der alte Klopp lasse ihn steuern, damit er mehr Übung bekam. Der Gedanke, dass er seinen Meister der Mechanik übertroffen haben könnte, machte ihn nervös. »Sind Sie sicher?«
»Sicher wie die Hölle«, meinte Klopp und klopfte Alek auf die Schulter. »Was sagen Sie, Graf? Wir haben unseren jungen Mozart doch lange genug nachts üben lassen.
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