Leviathan erwacht - Corey, J: Leviathan erwacht - Leviathan Wakes (The Expanse Series Book 1)

aber … noch nicht vollständig.«
    »Das kann ich nachvollziehen«, sagte Holden. Alex und Amos nickten schweigend.
    »Vielleicht geht es darum, dass das Protomolekül noch nicht klug genug ist. Sie können eine Menge Daten stark komprimieren, aber wenn es nicht gerade ein Quantencomputer ist, brauchen sie Platz für den Prozessor. Die einfachste Art und Weise besteht darin, winzige Maschinen zu benutzen und verteilt zu rechnen. Vielleicht kann das Protomolekül seine Aufgabe noch nicht erfüllen, weil es nicht klug genug ist. Noch nicht.«
    »Es sind nicht genug«, warf Alex ein.
    »Genau«, fuhr Naomi fort. Sie warf das Handtuch in einen Behälter unter der Spüle. »Also gibt man ihm eine Menge Biomasse, mit der es arbeiten kann, und wartet ab, was es letzten Endes tun will.«
    »Der Kerl im Video meinte, die Aliens wollten das Leben auf der Erde okkupieren und uns auslöschen«, sagte Miller.
    »Deshalb ist Eros perfekt«, erklärte Holden. »Viel Biomasse in einem durch das Vakuum isolierten Reagenzglas. Wenn es aus dem Ruder läuft, ist der Krieg sowieso schon im Gange. Schiffe und Raketen können eingesetzt werden, um Eros zu einem Glasbaustein einzuschmelzen, falls der Felsen irgendwie gefährlich werden sollte. Es geht doch nichts über eine neue Bedrohung, wenn wir unsere Differenzen vergessen sollen.«
    »Mann«, sagte Amos. »Das ist aber wirklich beschissen.«
    »Gut. Wahrscheinlich ist genau das passiert«, räumte Holden ein. »Irgendwie kann ich aber immer noch nicht glauben, dass es genug böse Menschen an einem Ort gibt, um so etwas zu tun. Das ist doch kein Einmannunternehmen. Dabei haben Dutzende, wenn nicht Hunderte sehr kluge Menschen mitgearbeitet. Rekrutiert Protogen prinzipiell nur Leute, die geneigt sind, sich bei erstbester Gelegenheit wie Stalin oder Jack the Ripper aufzuführen?«
    »Das will ich Mister Dresden unbedingt fragen, wenn wir uns endlich mal begegnen«, erklärte Miller mit versteinerter Miene.
    Tychos Wohnringe drehten sich gemächlich um die riesige schwerkraftlose Fabrikkugel im Zentrum. Die riesigen Baukräne, die oben herausragten, bewegten gerade ein gewaltiges Stück der Rumpfverkleidung zur Nauvoo . Als er die Station auf den Bildschirmen der Operationszentrale betrachtete, während Alex die Andockprozedur erledigte, fühlte Holden sich einigermaßen erleichtert. Bisher war Tycho der einzige Ort, wo noch niemand versucht hatte, auf sie zu schießen, sie in die Luft zu jagen oder Pampe auf sie zu erbrechen. Somit fühlte er sich hier mehr oder weniger heimisch.
    Holden betrachtete den Safe, der sicher auf dem Deck verzurrt war, und hoffte, er habe nicht jeden einzelnen Menschen auf der Station zum Tode verurteilt, weil er den Tresor hierher mitgenommen hatte.
    Wie aufs Stichwort schwang Miller sich durch die Luke und schwebte zu dem Metallkasten hinüber. Er warf Holden einen bedeutungsschwangeren Blick zu.
    »Sagen Sie es nicht. Ich denke gerade selbst darüber nach.«
    Miller zuckte mit den Achseln und schwebte weiter.
    »Das Ding ist groß.« Er nickte in die Richtung der Nauvoo , die Holden sich auf den Schirm geholt hatte.
    »Ein Generationenschiff«, erklärte Holden. »So etwas wird uns die Sterne schenken.«
    »Oder einen einsamen Tod auf der Reise ins Nirgendwo«, erwiderte Miller.
    »Wissen Sie«, entgegnete Holden, »manche Spezies stellen sich unter dem großen galaktischen Abenteuer vor, mit Viren gefüllte Kugeln auf ihre Nachbarn abzuschießen. Ich finde, dagegen nehmen sich unsere Methoden ziemlich edelmütig aus.«
    Miller dachte darüber nach, nickte und betrachtete die Tycho-Station, die auf dem Monitor größer wurde, während Alex den Anflug überwachte. Der Detective stützte sich mit einer Hand auf der Konsole ab und korrigierte seine Position mit kleinen Bewegungen, während der Pilot das Schiff mit kurzen Schüben steuerte, die unerwartet aus allen Richtungen auf ihre Körpermassen einwirkten. Holden hatte sich auf den Sitz geschnallt. Selbst wenn er sich konzentrierte, kam er nicht einmal halb so gut mit null G und wechselndem Schub zurecht. Sein Gehirn ließ sich die mehr als zwanzig Jahre, die er ständig in der Schwerkraft gelebt hatte, einfach nicht austreiben.
    Naomi hatte recht. Es war leicht, die Gürtler als fremdartig zu betrachten. Wenn man ihnen genug Zeit gab, eine effiziente und implantierbare Sauerstoffversorgung sowie Recyclinggeräte zu entwickeln, und die Raumanzüge auf das unbedingt Notwendige wie die Wärmezufuhr